0223 - Rückkehr des Pharao
so gearbeitet war, wie die Flöten der Schlangenbeschwörer heute noch sind. Wie von einer unbekannten Mechanik bedient, wanderten die Finger des Franzosen über das Holz der Flöte. Eine sonderbar-einschmeichelnde Melodie entströmte dem Instrument. Die Kriechbewegungen der Schlangen wurden schwächer und verebbten dann völlig. Nur der zu ungefähr einem Drittel der tatsächlichen Größe emporgewundene Körper schwankte und schlingerte in einem undefinierbaren Rhythmus der Melodie.
Die Söhne und Töchter Ägyptens hielten den Atem an. Zamorra hatte richtig kalkuliert, daß die Kunst der Schlangenbeschwörung zwar in Indien, aber noch nicht in Ägypten bekannt war. Und so erschien Ramses und seinem Gefolge die Tatsache, daß Zamorra mit dem Spiel seiner Flöte den Angriffsgeist der Reptilien erlahmen ließ, als ein Wunder.
Dabei lag es nur an der einschläfernden Melodie, die sich lähmend auf den geringfügigen Intellekt der Schlangen legte. Auf seinen weiten Reisen rund um den Globus hatte Professor Zamorra in den Straßen von Benares einem uralten Schlangenbeschwörer einen Dienst erwiesen. Und zum Dank unterwies der den Parapsychologen in seiner Kunst.
Jeder Schlange, egal, ob es Krait, die giftige Sandviper, Nag, die Königskobra oder Kaa, die gewaltige Pythonschlange ist; dem Zauber dieser Melodie sollten alle aus dem Geschlechte des im Staube kriechenden Volkes verfallen sein.
Und daß er Recht hatte, rettete Professor Zamorra jetzt das Leben. Denn zwischen das angriffslustige Geringei am Boden zu gehen und die Schlangen mit dem Paralysegriff einzeln zu packen, das wäre sein sicherer Tod gewesen.
Nun aber wagte er sich, ständig weiter auf der Flöte blasend, in den Kreis des Verderbens.
Alles in ihm war Konzentration. Denn er mußte bei der Schlange am Schwanzende sofort den Punkt treffen, der sie in die Starre zurückversetzte. Dabei durfte er in der Melodie nicht nachlassen. Ein unsauberer Ton nur, eine falsche Note, und der Zauber war verflogen. Die Schlangen würden aus ihrer Lethargie erwachen und zustoßen. Das qualvolle Ende des Gifttodes wäre unvermeidlich.
Professor Zamorra wollte daran nicht einmal denken. Langsam, Schritt für Schritt bewegte er sich in den Kreis. In den vorher seelenlosen Augen der Priester glomm etwas wie Erstaunen. Und dann wurden ihre Mienen bestürzt, als sie sahen, wie sich Professor Zamorra langsam bückte und nach dem Schwanzende einer Schlange griff.
Und dann öffneten sich ihre Münder zu einem stummen Schrei. Kaum hatte Professor Zamorra die Schlange ergriffen, schien ein Ruck durch ihren sich hin- und herwiegenden Körper zu gehen. Der biegsame Leib straffte sich und nahm die Form eines Stabes wieder an. Ein Stab, wie er zu seinen Füßen niedergeschleudert wurde.
Die Priester des Schlangengottes wandten sich zu ihrem Gebieter. Aber die Miene des Pharao befahl ihnen, zu schweigen. Brachte es dieser- Magier aus dem Norden fertig, alle Schlangen zurückzuverwandeln, fiel das fällige Opfer für den Schlangengott aus.
Denn die schlauen Priester hatten vorgehabt, hier und heute einmal wieder die Stärke ihres Gottes zu zeigen. Und nun erwies es sich, daß dieser Barbar mit dem Namen Zamorra mehr Macht über die Söhne Seth’s ausübte, als die Priester des Schlangengottes.
Wieder griff Professor Zamorra zu, während er unablässig weiter auf der Flöte blies. Wieder streckte sich ein Schlangenkörper. Alles Leben schien aus dem Reptil zu weichen.
Aus den Augenwinkeln sah es Professor Zamorra im Gesicht des Pharao leuchten. Bestimmt freute sich Ramses königlich, daß die Priester heute einen Denkzettel erhielten.
Wieder und wieder griff der Parapsychologe zu. Und jedesmal wurde unter seiner beherzt zugreifenden Hand eine Schlange zu einem Stab. Er bemerkte, daß ihm der Mann hinter dem Thron mit dem unergründlich tiefen Blick erstaunt folgte. War er es wirklich, der in einigen Jahren vor dem Throne des Ramses dieses Schauspiel wiederholen sollte?
Nur noch drei Schlangen waren übrig. Schon wollte Professor Zamorra erleichtert aufatmen.
Da geschah es.
Einer der Priester stieß einen schrillen, unartikulierten Schrei aus. Die Leiber der Schlangen schienen wie mit brühheißem Wasser übergossen zusammenzuzucken. Im selben Moment griff Professor Zamorra, geistesgegenwärtig die Flöte fallen lassend, zu. Seine nervigen Fäuste schlossen sich um zwei Schlangenleiber, von denen der in seiner linken Hand sofort in Starre verfiel.
Ein lauter Aufschrei
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