0223 - Rückkehr des Pharao
bemerkte er dazu grinsend.
Ein ungläubiger Aufschrei des Volkes quittierte die Tatsache, daß einer der Sklaven mit Schakalmaske das Spielfeld verlassen hatte.
Den Gegenzug des Ramses beantwortete Carsten Möbius mit einer Variante, die dem Herrscher Ägyptens einen erschrockenen Ausruf entlockte. Er sah jetzt die Falle, in die er hineingetappt war.
Und dann hielt Carsten Möbius seinen zweiten Spielstein in der Hand und nahm ihn seelenruhig vom Felde. In der Volksmasse rund um das Spielfeld begann es zu brodeln. Man diskutierte über diesen unorthodoxen Zug, der den Pharao in den Nachteil brachte.
Aber Ramses war ein ernstzunehmender Gegner. In zwei Gegenzügen hatte er Carstens Deckung aufgerissen. Die Pferde, die zu Carstens Vierteilung bereitstanden, stiegen schäumend, von den Knechten mühsam gehalten, als der Junge einen Spielstein verlor.
Die Partie stand wieder ausgeglichen.
Was nun folgte, waren Geniestreiche an taktischem Geschick. Und die, welche das Spiel aufzeichneten, diskutierten noch lange danach über die weisen Züge des Pharao und die teils vorsichtigen, teils tollkühnen Aktionen seines Gegners.
Carsten Möbius, den Tod vor Augen, spielte mit der Brillanz seines geschärften Geistes. Stets ein guter Schachspieler, konnte er sich in die Logik des Brettspieles gut hineindenken.
»Schach… und matt!« sagte er nach einigen Zügen. Und er wies dem die Worte nicht verstehenden Pharao einige Züge, gegen die keine Gegenwehr mehr möglich war. In weiteren sechs Zügen war das Spiel unweigerlich zu Carstens Gunsten entschieden.
Mit einem zornigen Aufschrei fegte Ramses die noch stehenden Figuren vom Feld. Er, der noch nie geschlagen wurde, mußte im Angesicht seiner Untertanen die erste Niederlage einstecken.
Auf sein Winken wurden hinter Carsten Möbius die Pferde weggeführt. Die Götter hatten entschieden, daß der Junge weiterleben sollte.
Carsten Möbius atmete tief auf…
***
Das Volk von Theben stieß einen Ausruf des Erstaunens aus, als Michael Ullich in das weite Oval des Tales geführt wurde. Die ägyptischen Soldaten, die ihn, mit Speeren drohend, eskortierten, wirkten neben ihm wie Zwerge.
Und die Frauen aller Altersstufen beneideten Nefritiri um das Erlebnis, in den Armen dieses Mannes gelegen zu haben. Manch eine stellte sich vor, wie es wäre, wenn der blonde Riese des Nachts zu ihr käme…
Ein Summen und Brodeln wie aus einem Bienenstock bildete die Kulisse, die das Volk abgab. Denn die Männer warteten gespannt darauf, den Todeskampf dieses Mannes zu sehen, der die Fantasie ihrer Frauen so sehr erregte.
Der hochgewachsene Junge trug nichts als ein Lendentuch, denn seine enge Kleidung konnte ihm bei dem Kampf nur hinderlich sein. Sein Gesicht drückte keine Angst aus. Im Gegenteil, er schien sich auf den Kampf direkt zu freuen.
Langsam führten ihn die Krieger in Richtung auf einen ungefügigen Kasten in der Mitte des Ovals, aus dem dumpfes Brüllen drang.
Der Käfig des Löwen. Quer durch das Tal ging eine Leine, mit der die Käfigtür geöffnet wurde.
Dann - ein scharfes Kommando! Im Laufschritt rannten Ägyptens Krieger zurück, Michael Ullich zurücklassend. Der Junge sah, wie die Gittertür des Käfigs langsam zurückgezogen wurde.
Schon schoben sich die mächtigen Pranken des Löwen heraus.
Hinter sich hörte er rhythmischmetallisches Klirren. Aus einiger Entfernung sah er einen mit Speer, Schwert und Schild ausgerüsteten Krieger auf sich zustürmen. Von der anderen Seite donnerte ein von zwei falben Rossen gezogener Streitwagen heran.
Die Sonne blitzte auf den rotierenden Sicheln an den Rädern. Diese fürchterliche Waffe, die in der Schlacht das gegnerische Fußvolk reihenweise niedermähte, ließ ein Kribbeln über Ullichs Nacken rieseln. Wenn er in den Wirbel der Sichelräder geriet, war er unrettbar verloren.
Ein fürchterliches Fauchen in seiner Nähe ließ ihn zusammenzucken. Der Löwe war frei. Dolchscharfe Zähne im flammendroten Rachen und mit dem Schwanz die Flanken peitschend, zeigte sich der König der Tiere in all seiner Kraft.
Ein Schlag mit der Pranke, ein Zuschnappen des Gebisses und es war vorbei. Aus gelben Augen blinzelte die große Katze Michael Üllich an.
Da aber wurde sie durch das Gedröhne des Streitwagens irritiert. Zornig fauchend warf sich das Tier herum. Und sofort wandte es dem heranrasenden Streitwagen seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu.
Denn Michael Ullich, der stocksteif dastand, war nicht mehr interessant für den
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