0223 - Sie würfelten um unser Leben
Wohnung des Mannes, dem sein zweiter Auftrag galt, beobachtet. Der Mann ging morgens immer zur gleichen Zeit fort, kam aber offensichtlich zu unregelmäßigen Zeiten nach Hause. Sunder wusste nicht, wohin der Mann ging, und woher er kam. Und er machte sich auch keine Gedanken darüber. Er wusste, dass der Mann gefährlich war, dass er wahrscheinlich eine Pistole bei sich trug, und dass er zurückschießen würde, falls er, Sunder, ihn mit der ersten Kugel verfehlen sollte.
Der Gedanke an die Pistole unter der Jacke seines zweiten Opfers verhindertes, dass Gess Sunder seinen zweiten Auftrag nach der gleichen Methode ausführte, mit der er in der 64th Street Erfolg gehabt hatte. Er ließ noch einmal zwei Tage verstreichen. Jeden Morgen stand er pünktlich um sieben Uhr in einer Toreinfahrt in der Nähe des Hauses, in dem sein Opfer wohnte. Auch an diesen zwei Tagen verließ der Mann gegen 8 Uhr morgens das Haus.
Sunder stand auch am Abend, genauer gesagt, ab nachmittags fünf Uhr auf seinem Beobachtungsposten. Einmal kam der Mann, den er töten wollte, um neun Uhr abends und ging eine Stunde später wieder fort. Am anderen Abend erschien er bereits um acht Uhr und blieb in seiner Wohnung.
Gess Sunder, der Berufsmörder, betrieb seinen makaberen Job nach fest stehenden Regeln. Er sagte sich, dass es keinen Sinn habe, den Auftrag am Abend zu erledigen. Der Mann kam zu unregelmäßig. Sunder brauchte für die Tat einen Wagen, und er musste ihn stehlen. Wenn er zu lange in dem Wagen warten musste, bestand die Gefahr, dass der Diebstahl entdeckt wurde. Und von diesem Augenblick an konnte jeder zufällig vorbeikommende Cop zu einer Gefahr werden. Gess Sunder beschloss, seinen Auftrag am hellen Morgen auszuführen.
Noch am gleichen Abend erzählte er dem Besitzer des kleinen Hotels, dass er morgen das Frühflugzeug nach San Francisco benutzen würde. Er müsse also schon um fünf Uhr das Haus verlassen. Er verlangte seine Rechnung und erklärte, es sei nicht nötig, ihn zu wecken. Der Hotelwirt möge dafür sorgen, dass er die Haustür offen fände.
Auf diese Weise verließ Sunder das Hotel, ohne dass sich jemand für ihn interessierte. Den kleinen Koffer mit seinem Mordwerkzeug trug er in der Hand, aber die Gegenstände, die er zum Knacken eines Autos benötigte, hatte er in seinen Taschen verstaut.
Um sechs Uhr machte er sich in der 36th Street an einen himmelblauen Chevrolet heran, der mitten in einer langen Wagenschlange parkte.
Er schnitt das Seitenfenster mit einem Glasschneider heraus, drückte es nach innen, sodass es auf den Sitz fiel, ohne zu zerspringen. Mit einem raschen Griff löste er den Hebelverschluss und stieg ein.
Sunder wusste genau, was er tun musste, um den Wagen auch ohne Zündschlüssel in Gang zu bringen. Er besaß einen schmalen, gehärteten Draht, an den eine Bleilegierung angeschmolzen war. Er führte den Draht in das Loch des Zündschlosses ein und drehte ihn mit Kraft. Dort, wo die Zacken des Schlosses Widerstand boten, drückte sich die Bleilegierung weg, andererseits aber reichte ihre Festigkeit aus, die Laschen zu bewegen. Das Zündlicht leuchtete auf. Gess Sunder konnte den Chevrolet starten.
Alles in allem brauchte er keine zwei Minuten, um in den Wagen einzudringen und ihn in Gang zu setzen. Er kurbelte das Seitenfenster herunter, damit das herausgeschnittene Glasstück nicht auffiel, und reihte sich in den schon beginnenden Morgenverkehr ein.
In gemächlichem Tempo steuerte er den gestohlenen Wagen in die Straße, in der sein Opfer wohnte. Den Platz, an dem er warten wollte, hatte er sich schon ausgesucht. Sunder war seiner Schießkünste so sicher, dass er darauf verzichtete, sehr nah an dem Haus zu warten. Der ausgesuchte Platz lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite und etwa fünfzig Yards straßenabwärts.
Der Berufsmörder öffnete den Koffer, nahm die langläufige Pistole heraus, setzte den Schalldämpfer auf, prüfte noch einmal den Verschluss und legte die Waffe dann griffbereit unter den Koffer auf den Beifahrersitz.
Er schob sich auf seinen Platz zurück und zog den Hut tiefer in die Stirn. Die Leute, die jetzt in immer stärkerem Maße die Straße passierten, störten ihn nicht. Er wusste, dass Menschen, die zu ihrer Arbeitsstätte gingen, wenig auf das zu achten pflegten, was auf der Straße geschah, und wenn doch ein zufälliger Blick ihn und den Wagen treffen sollte, so musste jedermann annehmen, dass er auf irgendwen wartete, etwa auf einen Berufskollegen,
Weitere Kostenlose Bücher