Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0224 - Nur der Satan kennt Manhattan

0224 - Nur der Satan kennt Manhattan

Titel: 0224 - Nur der Satan kennt Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nur der Satan kennt Manhattan (1 of 3)
Vom Netzwerk:
die Tür schlossen, bemerkten wir, dass selbst unser Chef am Ende seiner Kräfte war. Er hatte den Kopf in die Hände sinken lassen und rührte und regte sich nicht. Lautlos drückte ich die Tür ins Schloss.
    Verdammt, er hatte ja recht.
    Auf dem Flur stellte sich ein Reporter uns in den Weg und knallte uns eine Reihe provozierender Fragen wie eine Dynamitladung vor die Füße. Phil hielt meinen Arm fest. Sonst wäre womöglich etwas passiert, was mich als G-man ein für alle Mal unmöglich gemacht hätte.
    »Hatten Sie die Absicht, mich zu schlagen, Mister Cotton?«, schnappte der Reporter.
    Ich holte fünf Mal hintereinander tief Luft und atmete sie ebenso langsam wieder aus, bevor mir die knappe Bemerkung über die Lippen ging: »Nein. Selbstverständlich nicht.«
    Ich drehte mich auf dem Absatz um und ließ den widerlichen Kerl stehen. Es sah beinahe so aus, als freute sich der Kerl darüber, dass ein G-man wegen Mordes vor Gericht stand.
    In unserem Office stülpte ich mir den Hut auf den Kopf.
    »Wo willst du hin?«, fragte Phil.
    Ich zuckte die Schultern.
    »In die Hölle. In die dreckigsten Kneipen vom East End, der Bowery und der anderen finsteren Gegenden. Und wenn ich jedes Rattenloch in der Unterwelt durchschütteln muss. Heute Abend haben wir Calleghan. Noch ist er der Einzige, dessen Bild und Beschreibung wir haben. Aber innerhalb kürzester Zeit, so sagte der Chef doch, nicht wahr? Also innerhalb kürzester Zeit sollen diese Reporterhechte ihre Bankräuber haben! Sie sollen ihren Fraß kriegen. Und wenn ich mit der blanken Stirn Mauern umrennen muss.«
    Phil griff ebenfalls zum Hut.
    »Denkst du vielleicht, du gehst allein?«, fragte er. »Von mir aus können sie uns beide nächste Woche auch noch vor Gericht zerren, weil wir unsere Befugnisse überschritten haben. Es ist mir so verdammt gleichgültig, wie mir noch nie im Leben etwas gleichgültig gewesen war…«
    In dieser Stimmung verließen wir das Distriktgebäude. Eine halbe Stunde später trieben wir uns bereits in den Kneipen der Bowery herum. Zwei betrunkene Matrosen pöbelten Phil an und griffen ihn sogar an, als sie merkten, dass er ihnen nicht den Gefallen tat, die erhoffte Schlägerei zu beginnen.
    Phil drosch sie in unglaublich kurzer Zeit zusammen. Sein Gesicht war wie gefroren.
    »Whisky!«, sagte er an der Theke. »Richtigen guten Whisky! Und große Gläser!«
    Das war am dritten Tag des Prozesses gegen Neville. Das Urteil wurde innerhalb der nächsten beiden Tage erwartet. Die Chancen standen neunzig zu zehn gegen Neville.
    Nicht einmal der Whisky schmeckte uns.
    Vier Stunden lang trieben wir uns in den Kneipen der Unterwelt herum, ohne etwas von jenem Mort Calleghan zu hören, dem am rechten Ringfinger das vordere Glied fehlte. Bis wir endlich auf Patty stießen.
    Dass er so hieß, verriet er uns selber. Er war ein Kerl von vielleicht sechzig, vielleicht auch schon siebzig Jahren, hatte Säbelbeine, durch die man hindurchkriechen konnte, selbst wenn seine Füße dicht aneinanderstanden, und ein graues Bartgefilz, das aussah wie Putzwolle.
    Patty hatte sich von einem Tisch zum anderen ein Brandy erbettelt. Bei uns aber ließ er sich häuslich nieder. Phil und ich spendierten je einen Whisky. Als Patty hörte, dass er Whisky trinken sollte, stand er auf, zog seinen verbeulten Hut und setzte sich darauf.
    »Whisky!«, stöhnte er mit verklärtem Blick. »Jungs, das vergess ich euch nie! So wahr ich Patty heiße. Wenn ihr mich mal braucht, ich tue alles für euch! Richtigen Whisky! Meine Güte! Wie lange habe ich keinen richtigen Whisky mehr getrunken? Das muss noch vor dem Krieg gewesen sein, als ich das letzte Mal gearbeitet habe.«
    »Von einem Job hältst du wohl nichts, Patty, was?«, fragte Phil schmunzelnd.
    Pattys faltenreiches Gesicht verzog sich.
    »Es ist ganz komisch«, versicherte er. »Jeden Abend nehme ich mir vor, am nächsten Tag wirst du arbeiten. Aber morgens wird nie was draus. Ich versteh das selber nicht.«
    Es war der einzige Lichtblick in diesen trüben Tagen. Wir gaben jeder noch einen guten Schluck für ihn aus, und das rührte ihn fast zu Tränen. Als wenige Minuten später Guck Cliever in die Kneipe kam, ein bekannter Einbrecher, der es auch nicht lassen würde, und wenn er hundert Jahre alt werden sollte, bekam Patty mit, wie ich Cliever heranwinkte und ihn leise fragte: »Hör mal, Guck, du könntest was tun, um dir bei der Polizei ’ne tüchtige Nummer zu machen.«
    »Was denn?«, brummte Guck

Weitere Kostenlose Bücher