0224 - Nur der Satan kennt Manhattan
bekommen…«
Er drehte sich um, nachdem er mich losgelassen hatte, legte sich auf seine Pritsche und wandte das Gesicht der Wand zu.
Es hatte keinen Zweck. Er würde kein Wort mehr mit uns sprechen. Wir standen auf und gingen hinaus. Als wir den Korridor entlangschritten, hatte ich das Gefühl, als hätte man mir ein Bleigewicht auf den Magen gelegt.
***
»Wir wollen uns nichts vormachen«, sagte ich am selben Mittag zu Mr. High. »Wenn nicht etwas völlig Unvorhersehbares geschieht, ist Nevilles Situation verzweifelt. Alles, aber auch alles spricht gegen ihn.«
Phil stand neben dem Schreibtisch des Chefs und fuhr mit der Spitze des Zeigefingers immer wieder an der Schreibtischkante hin und her. Pausenlos. Eine ewig wiederkehrende, sinnlose Bewegung.
Der Chef saß hinter dem Schreibtisch, hatte den Kopf in die Hände gestützt und blickte starr auf die Schreibtischgarnitur, die vor ihm stand. Ich war überzeugt, dass er sie überhaupt nicht sah. Sein Gesicht zeigte deutliche Spuren von Übermüdung.
»Was ist mit Clifford?«, fragte Mr. High nach einer Weile.-Ich zuckte die Schultern.
»Wir habfen mit ihm gesprochen. Er behauptet, Neville in dieser Nacht verfehlt zu haben. Vielleicht habe er sich geirrt, sagte er. Er hätte in einer Toreinfahrt am anderen Ende der Straße gestanden und fast eine Stunde lang auf Neville gewartet?«
»Hat er den Schuss nicht gehört?«
»Doch. Aber er hätte ihn für eine Fehlzündung bei einem Auto oder für das Platzen eines Reifens gehalten. Wir haben gestern den Nachmittag und den ganzen Abend darauf verwandt, um das nachzuprüfen.«
»Und?«
»Bei der Entfernung, die zwischen den beiden Einfahrten liegt, kann er die Geräusche wirklich verwechselt haben. Außerdem gibt es zwei einwandfreie Leute, die bezeugen können, dass in der fraglichen Zeit ein weißhaariger Mann in der dunklen Einfahrt stand.«
»Also ist es auch damit nichts…«
Mr. Highs Stimme klang unsäglich müde.
»Nein«, sagte ich. »Für unsere Zwecke ist es nichts.«
Wieder breitete sich dieses an die Nerven gehende Schweigen aus. Phil stand noch immer neben dem Schreibtisch und fuhr mit dem Zeigefinger an der Kante entlang. Der Chef stand auf und trat ans Fenster. Er blickte hinaus, ohne ein Wort zu sagen.
Ich zermarterte mir den Kopf. Der Banküberfall interessierte mich nicht mehr sonderlich. Zwei von den beteiligten Gangstern waren bereits tot, zwei weitere verhaftet. Irgendwann würden auch die anderen gefasst werden. Und selbst wenn sie nicht gefasst wurden, sollte es mich verdammt wenig berühren.
Im Augenblick ging es um Neville. Nicht um ein paar schäbige Gangster, sondern um den alten Neville: Aber was, zum Teufel, konnten wir noch für ihn tun? Die Geschichte war von unseren fähigsten Leuten untersucht worden. Sie hatten auf den Knien gelegen und waren mit starken Taschenlampen und Lupen in den Händen durch die Einfahrt gekrochen, um die Idee einer Spur zu suchen, einer Spur, die geeignet gewesen wäre, eine andere Erklärung für den Mord zu finden, eine andere als jene, die sich aus den Indizien in unfehlbarer Zwangsläufigkeit ergab. Die besten Spezialisten des Spurensicherungsdienstes, ein Heer von Vernehmungsbeamten, zahllose Experten auf allen Gebieten waren eingesetzt worden. Umsonst. Die Indizien redeten eine deutliche Sprache. Und sie sprachen gegen Neville. Ausnahmslos.
»Die Bank hat eine Belohnung ausgesetzt. Wer die noch fehlenden Gangster der Polizei verrät, wird von der Bank fünfzigtausend Dollar Belohnung erhalten«, sagte der Chef irgendwann.
Ich zuckte nur die Achseln. Mochten sie hunderttausend Dollar Belohnung aussetzen oder meinetwegen eine ganze Million. Was half das Neville?
»Wir sollten versuchen, herauszufinden, was dieser Leavston in den letzten Stunden seines Lebens getan hat«, murmelte ich mit wenig Hoffnung. »Vielleicht bringt uns das auf eine Fährte.«
»Das ist schon veranlasst«, sagte der Chef, ohne sich vom Fenster abzuwenden. »Ich habe zehn G-men von allen anderen Arbeiten entlastet und damit beauftragt. Sie werden alles tun, was in ihren Kräften steht. Das Resultat bleibt abzuwarten…«
Bleibt abzuwarten .... Warten ... Wie lange? Einen Tag? Sechs? Sechs Wochen? Wir hatten nicht ewig Zeit. Das zuständige Gericht hatte bereits durchblicken lassen, dass die Sache schnellstens verhandelt werden sollte. Die amerikanische Öffentlichkeit war seit eh und je empfindlich, wenn es so aussah, als überschritten Polizeibeamte ihre
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