0225 - Blüten mit dem Todeszeichen
meine Brieftasche haben wollen, hätten sie mich nicht erst auf den Boden schicken brauchen. Also mußte eine andere Absicht dahinterstecken. Vielleicht, so dachte ich damals, vielleicht hat sich in der Gegend ein Rackett breitgemacht, zu dem die beiden Burschen gehören, und sie wollen dir jetzt begreiflich machen, daß du ihnen jede Woche ,Schutzgeld‘ bezahlen sollst. Da wären sie bei mir gerade an den Richtigen gekommen. Ich bin kein Held, und wenn ich's vermeiden kann, gehe ich einer Schlägerei gern aus dem Wege. Man weiß ja doch nie, ob man immer derjenige sein wird, der oben bleibt. Aber irgendwo ist ‘ne Grenze. Ich stöhnte ein bißchen und tat so, als ob ich schon ziemlich fertig wäre, während ich mühsam auf die Beine kletterte. Aber dann wischte ich einem der beiden einen Kinnhaken an den Punkt, daß ihm Hören und Sehen verging. Ich wäre vielleicht auch noch mit dem anderen fertig geworden, aber der hatte auf einmal eine Pistole in der Hand, Und ich hatte keine. Was sollte ich schon machen? Ich hob meine Arme und dachte mir, daß ich verdammt Pech gehabt hätte. Aber die Burschen wollten mir gar nicht ans Leben. Ganz im Gegenteil. Sie hatten starkes Interesse daran, mich bei Laune und Gesundheit zu erhalten. Das merkte ich, als sie mir nichts weiter taten. Als der mit dem Kinnhaken wieder seine fünf Sinne beisammen hatte, zwangen sie mich in ihren blauen Ford zu klettern. Und dann ging die Reise los.«
Er nahm sich eine neue Zigarette aus der Schachtel, die Marshall auf den Schreibtisch gelegt hatte, nachdem sein fragender Blick mit einem kurzen Nicken quittiert worden war. Phil gab ihm Feuer. Nachdem er den ersten Rauch ausgeblasen hatte, setzte er seine abenteuerliche Erzählung fort.
»Sie fuhren mich hinunter in die Downtown. Unterwegs erzählten sie mir, daß ich vernünftig sein und keine Schwierigkeiten machen sollte. Sonst könnte es meiner Frau und meinen zwei Kindern dreckig gehen. Ich hatte eine gehörige Wut im Bauch, das werden Sie sich denken können, aber was sollte ich schon machen? Ich blieb also ruhig und ging mit ihnen in die Kneipe, die sie sich ausgesucht hatten. Es war, wie gesagt, in der Downtown.«
»Wissen Sie die Straße?« fragte Phil.
»Ja, es war die Division Street, an der südlichen Grenze der Chinatown. Ob die Kneipe einen Namen hat, weiß ich nicht, ich habe damals nicht darauf geachtet. In der Bude herrschte ein dicker Betrieb. Wir setzten uns in eine Ecke und tranken Bier. Den ganzen Abend. Bis gegen elf tranken die Halunken Bier mit mir, ohne daß ich die leiseste Ahnung hatte, worauf das Ganze hinauslaufen sollte. Gegen elf endlich standen sie auf. Sie dirigierten mich in ein Hinterzimmer. Von da ging es in einen engen, düsteren Flur. Am Ende das Flurs lag eine Vorratskammer. Sie war so eng, daß wir zu dritt kaum Platz darin hatten. Aber sie zwängten mich und sich selbst hinein und schlossen die Tür hinter sich. Dann schob der eine ein Regal vor einer Wand beiseite. Unter dem Regal gab es eine Falltür. Sie klappten sie auf. Einer ging voran und knipste irgendwo unten das Licht an. Ich sah, daß eine steile Treppe unter der Falltür vorhanden war. Ich mußte hinunterklettern…«
Springs' Gesicht war hart geworden. Seine Muskeln spielten in dem sonnengebräunten, und doch so blassen Antlitz, als er wieder eine Pause einlegte.
»Wie wär’s mit etwas Kaffee?« fragte Marshall.
»Ja, das könnte ich gebrauchen«, nickte Springs. »Mir ist die Kehle wie ausgedörrt von dem vielen Reden.«
Es entstand eine Pause, bis der Kaffee gebracht worden war. Springs rührte versonnen den Zucker in seinem Kaffee um, bevor er fortfuhr.
»Vielleicht denken Sie, ich bin eine lausige Memme. Aber ich saß in der Klemme. Sie drohten mir immer wieder damit, daß sie meiner Frau oder den Kindern etwas antun würden, wenn ich ihnen nicht gehorchte. Und meiner Frau sagten sie wieder, daß sie mich umlegen würden, wenn sie zur Polizei ginge. Auf diese Weise hatten sie uns beide im Sack. Neun Wochen lang saß ich täglich vierzehn Stunden auf einem Stuhl festgebunden und mußte an den Platten arbeiten. Anfangs probierte ich ein paar Tricks, um sie reinzulegen. Sie prügelten mich einmal so durch, daß ich mich drei oder vier Tage lang nicht rühren konnte. Danach war mir die Lust vergangen.«
»Hatten Sie in dieser ganzen Zeit immer nur mit den Trucsons zu tun?« erkundigte ich mich.
»Nein. Sie waren ein ganze Bande. Mindestens zwölf bis vierzehn Mann, wenn nicht
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