0227 - Gefangen in der Totenstadt
Verdammnis in alle Himmelsrichtungen.
Ein krachender Donnerschlag! Der Himmel selbst schien seinen Unmut über die Inkarnation des Dämons kund zu tun.
Aber ruhig stand die Gestalt des Mönches, zu dessen Füßen das nackte Mädchen lag. Jedoch war die Herzensgüte aus den Augen gewichen. Sie blickten nun entschlossen. In ihnen lag ein Glitzern, kalt wie das Wasser des nördlichen Eismeers.
Die menschliche Gestalt Sejanos begann, vor Sandras schreckgeweiteten Augen zu zerfließen. Sie wurde gegenstandslos. Ein abstraktes Gebilde. Aber nicht wie das Gemälde eines Künstlers der modernen Malerei. Nein, es glich dem Gekritzel eines Geistesgestörten.
Die Pupillen des Mädchens weiteten sich unnatürlich, als es mitansehen mußte, wie sich hier die Gewalt der Hölle manifestierte.
Würde dieser Mönch, unter dessen Schutz sie sich begeben hatte, einer solchen Gewalt Widerstand leisten können? Wenn doch nur dieser Professor Zamorra, von dem ihr Tina Berner soviel erzählt hatte, hier wäre…
Der Wahnsinn nahm Gestalt an.
Ein Schädel bildete sich, dann Arme, Beine und ein Rumpf. Alles war vorhanden, was zu einer Gestalt gehörte, der ein objektiver Betrachter die Bezeichnung »menschenähnlich« geben würde.
Aber dieser Gestalt auch nur den kleinsten Teil von dem zuzugestehen, was den Menschen ausmacht, wäre Vermessenheit gewesen.
Am ehesten wurde Sandra Jamis an ein Ungeheuer erinnert, das sie mal in einem japanischen Film gesehen hatte.
» Gozilla« wurde dieses Monster genannt, und Sandra Jamis hatte sich noch tagelang vor diesem Wesen gefürchtet. Und in der Nacht war es ihr in die Träume nachgeschlichen und hatte sie schreiend und schweißgebadet erwachen lassen.
Das entstandene Wesen war sicherlieh knapp drei Meter hoch. Es wurde von einer ledrigen Schuppenhaut von graugrüner Farbe bedeckt. Die Beine waren groteske Fleischberge. Die Arme dagegen waren lang und schlank wie die Leiber zweier Riesenschlangen, die sich um Stämme der tropischen Regenwälder am Amazonas ringeln.
Am unteren Ende der Arme befanden sich Gebilde, die nur mit ganz besonderer Fantasie als Hände bezeichnet werden konnten. Sie hielten je einen Stab, der laufend die Farbe wechselte. Grünliches Feuer schien an den Enden zu sprühen.
Das Grausigste aber war der Kopf.
Am ehesten konnte man ihn mit dem Schädel eines Pavians vergleichen. Er war wie der Kopf eines Mandrill, dessen Gesicht wie farbig angemalt wirkt.
Eine Fratze des Irrsinns!
Aus dem weit aufgerissenen Maul schimmerte eine Reihe schneeweißer Zähne, die an gezückte Dolche erinnerten. Aus gelblich flackernden, blutunterlaufenen Augen sprühte nackte Bosheit.
Dann begann diese der irdischen Natur Hohn sprechende Perversion des Seins zu reden.
»Wer immer du bist, Sterblicher! Wage es nicht, dich gegen einen von denen zu stellen, die gestärkt sind durch die Mächte der Finsternis. Weiche zurück, und rette dein Leben und deine Seele. Denn ich will nur, was mir zusteht. Die Beute, um die ich gekämpft habe. Wisse, daß ich ein Diener dessen bin, der Asmodis heißt und den die Eingeweihten als Fürst der Finsternis erkennen. Im Kreise der Schwarzen Familie wird sein Name verehrt vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Vernimm denn, Sterblicher, der du das Gewand derer trägst, die in den Augen unseres Vaters in der Tiefe ein Greuel sind, daß dir ein Großmeister vom hohen Orden der Schwefelflamme gegenübersteht. Ich bin ein gewaltiger Herr in den Kreisen der Hölle, der über ungezählte Scharen verdammter Seelen gebietet. Mein Name wird dort unten nur in Ehrfurcht genannt. Wisse: Als Mensch unter Menschen nannte man mich Claudio Sejano. Aber bei denen, die Satan in all seiner Majestät schauen, ist mein Name Nguruthos! Erzittere, Sterblicher! - Hebe dich hinweg! Geh, und fliehe aus meinem Gesichtskreis. Oder, so wahr Satan in dreieiniger Gestalt regiert, deine Seele ist mir verfallen. Fort führe ich dein Unsterbliches, wenn du mir Widerstand leistest. In den Staub vor mir, Pfaffe! Denn dies ist meine Stunde! Dies ist die Nacht der höllischen Gewalten!«
Tiefgrollende Donnerschläge unterstrichen die furchtbare Wucht seiner Worte.
Da aber ging ein Ruck durch die Gestalt des Mönchès. Mit einer fließenden Bewegung warf er das braune Gewand ab. Wie ein düsterer Schatten wehte die Kutte hinter ihm durch die Luft, wurde vom Wind wie eine gewaltige Fledermaus hin- und hergezerrt. Dann sank sie ins Gras nieder.
Die Schwärze der Nacht aber wurde jetzt
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