0227 - Stellas Rattenkeller
sehe, ist Miß Murdock nicht zu Hause.«
»Doch!«
Die Antwort überraschte mich. »Sind Sie da ganz sicher?«
»Selbstverständlich. Ich habe sie doch vor wenigen Minuten heimkommen sehen.«
»Sie öffnete nicht.«
»Vielleicht sitzt sie in der Wanne.«
»Ja, das ist möglich. Wohnt sie denn allein in dem Haus?«
»Seit dem Tod ihrer Mutter schon.«
»Und haben Sie Kontakt mit Miß Murdock?«
»Kaum. Die geht ja in ihrem Beruf auf. Ich habe mich sowieso gewundert, daß sie schon so früh gekommen ist.«
»Wann ist die Mutter denn gestorben?«
»Vor einigen Wochen. War eine seltsame Sache. Wir haben es erst erfahren, als sie schon begraben war. So ganz zufällig, wissen Sie. Ich finde Stella ja komisch, aber wer immer mit den Verrückten zusammen ist, bei dem muß es ja mal abfärben.«
»Das ist möglich.«
Plötzlich meldete sich eines der beiden Kinder. Es war das kleine Mädchen, das sagte: »Heute habe ich eine Ratte gesehen.«
Ich zuckte zusammen, ließ mir ansonsten nichts anmerken und tat sehr überrascht. »Eine Ratte? Wo denn?«
»Hinter dem Haus von Miß Murdock.«
»Hat sie dich angegriffen?«
»Nein, sie ist weggelaufen. Ich habe noch mit einem Stein nach ihr geworfen, da ist sie in dem Keller verschwunden.«
»Ich finde es gut, daß du mir so etwas sagst.« Fragend wandte ich mich wieder an die Mutter. »Haben Sie schon des öfteren hier Ratten gesehen oder erlebt?«
»Ja.«
»Auch in letzter Zeit?«
»Wissen Sie, ich hörte von Nachbarn, daß sie mal ein Biest entdeckt haben, mehr aber auch nicht.«
»Und wo liefen die Tiere herum?«
»Hier in der Nähe. Deshalb habe ich den Kindern eingeschärft, immer nahe beim Haus zu bleiben. Vielleicht kommen die Ratten vom Friedhof. Ich habe mich schon bei der Verwaltung beschwert, aber da wird sich wohl nichts tun.«
»Das würde ich nicht so sagen«, erwiderte ich, wobei ich an Slim Rafferty, den Kammerjäger, dachte. Er war bereits von der Stadt geschickt worden.
»Wollen Sie sonst noch etwas wissen? Ich muß nämlich das Dinner zubereiten.«
»Nein, nein, ich bedanke mich vielmals.«
Im Abdrehen meinte sie: »Wie gesagt, Sie müssen es noch mal versuchen. Ich habe sie reinkommen sehen.«
»Danke für den Rat.«
»Na, gut geflirtet?« empfing Suko mich.
Ich war zu Späßen nicht aufgelegt und kam sofort zur Sache.
»Stella Murdock ist zu Hause, die Nachbarin hat sie kommen sehen.«
»Und weshalb öffnet sie dann nicht?«
»Das ist die Frage.«
»Vielleicht hat sie uns gesehen und will mit uns nichts zu tun haben«, spekulierte Suko.
»Möglich. Auf jeden Fall werden wir es noch einmal versuchen. So leicht lasse ich mich nicht abwimmeln. Zudem hat eines der Kinder heute eine Ratte gesehen.«
Suko pfiff durch die Zähne. »An einen Zufall glaube ich da nicht.«
»Ich auch nicht.«
Abermals drückten wir auf den Klingelknopf. Wir hörten, wie der Klang im Haus nachhallte, eine andere Reaktion trat nicht ein.
»Sollen wir die Tür aufbrechen?« fragte Suko.
Ich schabte mit dem Finger über meinen Nacken. »Das Recht haben wir nicht. Es besteht keine Gefahr für Leib und Seele. Ich möchte mich als Polizeibeamter nun nicht über die Regeln hinwegsetzen.«
»Vielleicht gibt es einen offenen Hintereingang.«
»Das läßt sich leicht feststellen.«
Wir wollten um das Haus herumgehen. Die beiden Kinder waren mit ihrer Mutter verschwunden. Sicherlich würden sie uns weiterhin im Augen behalten und hinter den Fenstern stehen.
Mein Blick glitt auch an der Fassade des kleinen Hauses hoch. Mir waren beim Herkommen schon die sauberen Scheiben aufgefallen. Man konnte gut hindurchschauen, und als mein Blick eine dieser Scheiben traf, da sah ich auch die Bewegung.
Sofort blieb ich stehen und schaute genauer hin. Nein, ein Mensch war das nicht. Auf keinen Fall, der hockte sich nicht auf die Fensterbank. Ich sah eine Ratte.
Als hätte sie es geahnt, so zog sie sich blitzschnell zurück und sprang in das Zimmer.
Suko hatte nichts gesehen. Er wollte wissen, weshalb wir stehengeblieben waren.
»Im Haus war eine Ratte.«
Für einen Moment preßte der Chinese die Lippen zusammen.
Dann sagte er: »Also doch.«
»Jetzt besteht ein Grund!«
»Hätte ich nicht gedacht«, murmelte Suko, als er neben mir auf die Treppe zuschritt. »Wirklich, damit habe ich nicht gerechnet. Stella Murdock, also.«
Ich sagte nichts, sondern holte einen Spezialschlüssel hervor. Ihn ließ ich in das Schloß gleiten, und es dauerte nicht einmal zwei Minuten,
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