0227 - Stellas Rattenkeller
der andere an das Fußende des Grabs auf.
Der Typ am Kopfende sah den widerlichen Nager zuerst. »Da, bei dir, Garry!«
Garry schaute schräg nach unten, sah die Ratte, senkte den rechten Arm und schoß.
Ein schwerer Revolver wummerte auf und produzierte einen fahlen Mündungsblitz. Die Kugel hieb genau in den Kopf der Ratte und zertrümmerte ihn.
»Das war die letzte«, sagte der Mann, der geschossen hatte, und steckte seine Waffe weg. Dann beugte er sich vor und rief in das offene Grab hinein: »He, Prediger, komm hoch, das Tierchen gibt es nicht mehr. Es ist in der Rattenhölle!«
Der Mann rührte sich nicht.
»Vielleicht ist er tot«, sagte der zweite Zuhälter.
»Mach keinen Ärger.«
Nein, tot war der Prediger nicht. Er zuckte ein paarmal, wimmerte, bedauerte sich dabei selbst und kroch dann mühsam aus der frisch aufgeworfenen Grube.
Die Zuhälter halfen ihm noch.
Es hatte den Mann böse erwischt, aber durch das aus den kleinen Wunden herausrinnende Blut sah nur alles noch schlimmer aus.
Lebensgefährlich waren die Verletzungen nicht. Trotzdem bekam der Mann den Ratschlag, lieber zu einem Arzt zu gehen.
»Ja, ja, ja!« keuchte er, wischte sich über beide Wangen und verschmierte den Lebenssaft nur noch mehr.
Außer ihm war noch ein Mädchen schwerer verletzt worden. Die kleine, die sich in Bullys Arme geflüchtet hatte, besaß einen blutigen Rücken. Sie weinte leise.
Und noch einen Verletzten hatte es gegeben. Den Vater der Toten. Es war ihm zwar gelungen, die Ratte mit seinen eigenen Händen zu zerquetschen, aber sie hatte an seinem Hals doch ihre Spuren hinterlassen. Die Zähne waren scharf wie Messer gewesen. Aus den kleinen Wunden rannen lange, rote Streifen.
Seine Ehefrau kümmerte sich um ihn. Sie hielt schon ein Taschentuch bereit, das sie gegen die Halswunde preßte, so daß die Blutung ein wenig zum Stillstand kam.
Selbst die abgebrühten Zuhälter wußten nicht, was sie sagen sollten. Die Schüsse schien wohl niemand gehört zu haben, denn es eilten keine Menschen herbei.
»Laßt uns abhauen«, sagte eines der Mädchen und erntete damit allgemeine Zustimmung.
Die Verletzte hängte sich bei Bully ein. Sie jammerte und stöhnte, bis Bully sie heftig anschrie, da war sie ruhig.
Nur noch die Familie stand am Grab, auch der Prediger hatte das Weite gesucht.
»Ratten!« flüsterte der Vater. »Verdammte Ratten!«
Seine Frau schüttelte den Kopf. »Das ist nicht normal. Wirklich nicht, nein, das ist nicht normal.«
»Wie meinst du?«
Eine Gänsehaut lief über das Gesicht der verhärmt aussehenden Frau. »Der Teufel hat hier seine Hand im Spiel, der Teufel. Dieser Friedhof ist verflucht, glaube mir das.«
»Ja, du kannst recht haben.«
Lange blieb die Familie nicht mehr. Alle drei machten kehrt und gingen davon. An dieses Erlebnis wollten sie nicht mehr erinnert werden und es so schnell wie möglich vergessen.
Dabei war der kleine Überfall erst der Anfang…
***
Wir kamen in unser Büro zurück, ohne daß uns etwas Neues eingefallen wäre. So blieb es bei unserem Plan, dem Friedhof während der Dunkelheit einen Besuch abzustatten. Beide gingen wir davon aus, daß wir die Melodie der seltsamen Rattenflöte wieder hören würden.
»Wenn Rocky Koch sie nicht spielt, wer dann?« Das war die große Frage, die ich zum vielleicht zehntenmal stellte.
Suko hob die Schultern. »Er muß einen Helfer haben.«
»Klar, aber wer?«
»Jemand aus der Klinik?«
»Und wer käme dafür in Frage?«
Suko kratzte über seine Stirn. »Hast du dir diese Stella Murdock eigentlich genau angesehen?«
»Ja, wieso?«
»Die Frau gab sich sehr engagiert.«
»Dann glaubst du, daß sie unter Umständen das Erbe des Rocky Koch angetreten hat.«
»Das habe ich nicht gesagt. Und was ich glaube, ist hier auch zweitrangig, aber man kann damit rechnen.«
»Wir können uns ja mal erkundigen.«
»Wie?«
»Vielleicht liegt etwas gegen sie vor? Wäre doch möglich — oder?« Ich ließ Suko nicht erst zu einer Antwort kommen, sondern rief bei unserer Ermittlungsstelle an. Der Computer sollte herausfinden, was es über Stella gab.
Das dauerte seine Zeit, und ich verzog mich in Glendas Büro. Ein Kaffee hätte mir jetzt gutgetan, doch Glenda war nicht zu finden.
Sie hatte das Zimmer verlassen.
Kaum war ich wieder zurück, als sich der Apparat meldete. Suko ging dran. Er gab mir ein Zeichen, und ich wußte Bescheid, daß die Kollegen ihre Informationen durchgaben. Suko schrieb mit.
Ein paarmal nickte er,
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