0229 - Der schwarze Druide
Freund, laß mich nicht im Stich… hilf mir! Melde dich!
Er mußte diesen Professor Zamorra um Hilfe bitten. Nach allem, was Raffael über dessen Erlebnisse erzählte, war Zamorra der richtige Mann dafür. Der Spezialist für übersinnliche und unnatürliche Dinge.
Die Ratten kamen näher!
Panik erfaßte den alten Mann. Warum rührte sich im Château Montagne niemand? Raffael mußte doch längst dort sein!
Oder hatten sie etwa zu dritt vorher noch ein anderes Zwischenziel angesteuert? Nicht auszudenken!
Die Killer-Ratten waren auf Clement Ferracs Spur!
Wie viele Minuten waren schon vergangen? Sollte er nicht lieber die Polizei rufen - oder einen Arzt?
Nein. Das hier war jetzt wichtiger. Zamorra mußte auf die Geschehnisse aufmerksam gemacht werden!
Da endlich hob jemand ab.
»Château Montagne, Bois«, erklang die vertraute Stimme.
»Raffael!« stieß Clement erleichtert hervor. »Endlich! Raffael, du mußt mir helfen!«
»Was ist geschehen?« fragte Bois ruhig.
Hektisch erstattete Clement seinen Bericht. »Raffael, du mußt mir helfen. Informiere deinen Chef. Der Professor muß herkommen. Nur er kann noch helfen.«
Sekundenlang blieb es in der Leitung still. Dann fragte Bois: »Wo sind die Ratten jetzt, die dich verfolgen?«
Clement starrte in die Dunkelheit hinaus. Die Telefonzelle war hell erleuchtet, und er bot den Nagern ein deutliches Ziel. Er selbst sah so gut wie nichts. Doch - da waren die Lichtpünktchen. Sie waren schon ganz nah. Sie kreisten die Telefonzelle ein. Wie viele waren es? Fünf… sechs…
»Sie sind schon hier«, keuchte er. »Sie warten nur darauf, daß ich die Telefonzelle verlasse!«
»Zamorra befindet sich nicht im Haus«, hörte er Raffael sagen. »Er ist mit Gästen an die Loire hinunter gefahren, um zu zelten. Dort wollen sie die Nacht über bleiben.«
»Raffael, bitte«, keuchte Clement. »Benachrichtige den Professor. Es geht um Leben und Tod! Du kannst es doch!«
»Natürlich kann ich es«, erwiderte Raffael Bois. »Aber ich will es nicht.«
Es klickte in der Leitung.
Fassungslos begriff Clement, daß Raffael aufgelegt hatte.
Und draußen lauerten die Ratten!
***
Raffael Bois legte den Hörer auf die Gabel und wandte sich um. Augenblicke später hatte er die Todesnot seines alten Freundes bereits wieder vergessen. Das andere in ihm unterdrückte alle Gedanken, die nicht mit seiner Aufgabe zu tun hatten.
Raffael war besessen!
Er verließ das Zimmer wieder und ging nach draußen zurück, fast verärgert über die Unterbrechung durch das Telefonat. Aber das Schrillen des Apparates, das durch das offene Fenster drang und nicht hatte aufhören wollen, hatte ihn doch empfindlich gestört.
Er dachte an den weißen Magier Zamorra. Nun, der würde eine hübsche Überraschung erleben, wenn er anderntags zurück zum Château kam. Raffael freute sich bereits über das dumme Gesicht, das Zamorra machen würde.
Dann machte er sich wieder an die Arbeit. Es gab noch viel zu tun und er wollte doch keine halbe Arbeit tun. An das stechende Prickeln bei jeder Berührung der weißmagischen Schutzzeichen konnte man sich ohne weiteres gewöhnen.
Das blasse Mondlicht lieferte ihm genügend Helligkeit.
Nur manchmal fragte tief unten in seinem Unterbewußtsein eine mahnende Stimme nach dem Sinn seines Tuns und versuchte ihn an einen Menschen zu erinnern, der sein Freund war und den der Tod bedrohte.
Aber diese innere Stimme drang nicht an die Oberfläche empor.
***
Clement starrte die Ratten an, die draußen lauerten. Jetzt konnte er nicht nur ihre Augen, sondern sie selbst deutlich sehen. Das Licht, das aus der Telefonzelle nach draußen fiel, reichte aus.
Clement Ferrac wandte sich wieder um, warf neue Münzen ein und wählte den Polizeinotruf. Eine ruhige Stimme meldete sich.
Ferrac schilderte dem Mann seine Not.
»Bleiben Sie ganz ruhig«, wurde ihm empfohlen. »Ratten, so groß wie Hunde? Irren Sie sich da auch nicht?«
Der Diener begriff, daß der Polizist ihm nicht glaubte. Vielleicht hielt er ihn für einen Betrunkenen, der seiner Fantasie freien Lauf ließ.
Ihm wurde schwarz vor den Augen. Sekundenlang taumelte er. Dann hängte er langsam den Hörer wieder ein. Es hatte keinen Sinn mehr. Die Polizei glaubte ihm nicht, würde ihm nicht helfen. Er war auf sich allein gestellt.
Er beschloß, bis zum Morgen zu warten. Irgendwann würde das Dorf erwachen. Dann würden Menschen kommen und die Ratten sehen. Man würde ihm helfen.
Er zwang sich zur ruhigen Überlegung.
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