0229 - Der schwarze Druide
Was hätte er an Stelle des Polizisten angenommen? Er, Clement, hatte doch selbst zeitlebens nicht an solche Dinge geglaubt, wie jene, die er nun selbst erleben und erleiden mußte. Am meisten machte ihm der Varrat seines Freundes Raffael zu schaffen. Raffael wollte ihm nicht helfen!
Das konnte doch nicht wahr sein…
Er überlegte, ob er es nicht noch einmal versuchen sollte. Aber Raffael hatte so klar und kalt gesprochen, daß über seine Absicht kein Zweifel bestand.
Ein Arzt! zuckte es durch Clements Gedanken. Er mußte einen Arzt rufen, um seinen Arm versorgen zu lassen. Diesmal würde er es schlauer anstellen und nichts von den wirklichen Geschehnissen erzählen. Nichts von den Ratten, die vor der Telefonzelle lauerten und nur darauf warteten, daß er herauskam, um über ihn herzufallen.
Er wollte nur erwähnen, daß er von einem tollwütigen Tier gebissen worden sei. Der Arzt würde kommen, mußte die Ratten sehen - und das würde ihn eher überzeugen als das telefonische Gestammel.
Ja, so mußte es gehen…
Clements drehte sich um, griff wieder nach dem Telefon.
Aber es blieb dabei.
Er vernahm das scharrende Geräusch und spürte den leichten Windzug.
Die Ratten! Eine von ihnen hebelte auf für Clement unbegreifliche Weise die Tür auf!
Clements Augen weiteten sich. Sein Mund öffnete sich zu einem entsetzten Schrei. Er wollte tausend Dinge gleichzeitig tun. Die Tür zuziehen, die Ratte zertreten, davonlaufen, telefonieren. Und er tat nichts.
Er starb nur.
Sein altes und schwaches Herz war den Belastungen einfach nicht mehr gewachsen und stellte seine Tätigkeit ein. Clement Ferrac sank kraftlos in der Telefonzelle zusammen.
Für ihn hatte das namenlose Grauen sein Ende gefunden.
***
Am Loire-Ufer bauten Zamorra und Gryf das große Zelt auf. »Villa Sarrasani« nannte der Meister des Übersinnlichen das Ding, das sich als überaus widerspenstig erwies und immer wieder in sich zusammenstürzte, weil irgend welche Stützstangen nicht richtig festsaßen. Nicole Duval saß auf einer zusammengerollten Luftmatratze und sah sich die befremdliche Gesichte vergnügt an, während Teri Rheken einen Drahtrost über dem offenen Lagerfeuer befestigte und die Schnitzel darauf warf. Ein wenig Salz drüber, etwas Pfeffer hier und da, das mußte reichen. Ob die anderen drei gepfefferte Schnitzel mochten, störte sie nicht.
»Uff!« sagte Gryf schließlich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Bier her! Pause!«
»He!« schrie Zamorra unter Zeltplanen hervor. »Soll ich das verflixte Ding jetzt etwa allein aufstellen? Wie stellst du dir das vor?«
»Ich bin ein alter Mann«, erklärte der Druide, »und solche schweißtreibenden Arbeiten einfach nicht mehr gewohnt.« Er streifte sich das nasse T-Shirt vom Körper und warf es irgendwo hin. Nachdenklich betrachtete er Nicole in Stetson und weißen Cowboystiefeln. »Eigentlich solltest du dich uns anpassen«, schlug er vor und deutete auf Teri und sich selbst.
»Mal sehen«, sagte Nicole und stand auf. Sie ging zu dem Bierfaß hinüber, das sie vor einer halben Stunde organisiert hatten, ehe die Gaststätte schloß. Der Wirt hatte auch den Zapfhahn mitgeliefert. »Wie bekommt man das Ding eigentlich in Gang?« wollte sie wissen.
»Laß das mal Papi machen«, sagte Gryf. Als er an Teri vorbeikam, nutzte er die Gelegenheit, hauchte ihr einen Kuß auf die Wange und gesellte sich zu Nicole und dem Faß. Sachkundig schlug er es an und ließ den ersten halben Liter ins Gras laufen. »So, Gläser her… Zamorra, wo steckst du eigentlich? Das Faß ist geöffnet!«
»Verräter!« keuchte Zamorra unter dem immer wieder zusammenbrechenden Zelt hervor. »Willst du wohl mithelfen, verflixt, statt Bier zu saufen!«
»Ich sehe schon, ich muß eingreifen«, bemerkte Teri. »Paß mal einer auf die Schnitzel auf! Männer! Zu nichts zu gebrauchen, nicht mal zum Zelte aufbauen!« Sie gesellte sich zu Zamorra und griff unterstützend in seinen verzweifelten Kampf gegen die Tücke des Objekts ein.
Nicole trat ans Feuer, betrachtete nachdenklich die Schnitzel und fragte sich, ob die eigentlich schon gesalzen waren. Sie entschied sich für nein, streute ein wenig Salz darüber und fand die Pfefferbüchse. Ein bißchen Würze konnte nicht schaden…
Gryf ließ das Bier über seine Zunge zischen. Dann lief er hinunter zum Wasser und machte einen Kopfsprung hinein. Nach ein paar Schwimmstößen bemerkte er eine Bewegung, griff zu und hielt einen Fisch zwischen den
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