0229 - Der Teufel locht das Höllenticket
können. Einen Wollmantel hatte sie lässig über den Arm geworfen.
»Wo gehen wir hin?«, fragte sie.
»Zu Ihnen«, sagte Phil.
Sie stutzte, aber sagte nichts. Achselzuckend ergab sie sich in ihr Schicksal. Wir baten den Cop, sich ein Taxi zu nehmen, damit er zu seinem Revier zurückkam. Außerdem bedankten wir uns für seinen Tipp. Den Notsitz brauchten wir jetzt für das Mädchen.
Zehn Minuten später standen wir bei Ann Stanford im Zimmer. Es war überraschenderweise sauber und aufgeräumt. Nur der aufdringliche Parfümduft, der in der Luft hing, gefiel mir nicht. Aber schließlich kann sich jeder Mensch die Duftwolken in seinem Zimmer verspritzen, die ihm gefallen.
»Setzen Sie sich«, sagte Ann Stanford. »Möchten Sie einen Kaffee?«
»Nein danke«, sagte Phil.
Sie zuckte spöttisch die Achseln.
»Dienstbullen«, sagte sie und fiel wieder einmal in ihren Hintertreppenjargon zurück. »Meinen Sievielleicht, ich erwarte von Ihnen irgendeine Rücksicht, bloß weil Sie eine Tasse Kaffe bei mir getrunken haben? Aber lassen Sie es ruhig bleiben. Der Kaffee ist teuer genug.«
Sie verschwand in einem kleinen Verschlag, der vermutlich eine Küche enthielt. Wir hörten Wasser rauschen und einen Kessel klappern. Sie war ziemlich schnell wieder da, wobei sie eine Tasse Kaffe vor sich herbalancierte. Wir hatten uns inzwischen gesetzt. Das Mädchen zog sich einen Sessel an den niedrigen Tisch und nahm ebenfalls Platz.
»Also?«, sagte sie. »Von mir aus kann es losgehen. Hinter wem seid ihr her?«
»Hinter dem Mann, der unsere beiden Kollegen ermordet hat«, sagte ich. »Oder der mindestens weiß, wer es war.«
»Schön«, sagte sie. »Das kann ich euch nicht verdenken. Aber was soll ich dabei?«
»Sie sollen uns sagen, wo wir diesen Mann finden können. Und zwar schnell! Sie kennen ihn nämlich!«
Sie stellte ganz langsam die Tasse auf den Tisch zurück. Ihr Gesicht war verlebt und konnte für fünfundzwanzig durchgehen, wenn man sie nicht - wie in der Bar - bei gedämpfter Beleuchtung sah. Um ihre Mundwinkel hatten sich zwei scharfe Falten gebildet. Strandgut der Gesellschaft. Ein Mädchen, das allerlei hinter sich hatte. Aber auch eins, das nichts dagegenhat, ständig im Dreck zu sitzen.
Ann hatte die Lippen hat aufeinander gepresst und sagte nichts. Wir warteten. Es dauerte nicht lange. Alle diese Mädchen reisen auf dieselbe Tour. Zuerst kommen die Frechheiten. Wenn sie damit nicht durchkommen, wird das Tränenregister gezogen. Und erst wenn auch das nicht wirkt, kann man sich mit ihnen vernünftig unterhalten.
»Ihr müsst doch einen gewaltigen Vogel haben«, zischte sie auf einmal hasserfüllt. »Ich bin nicht dafür, dass irgendjemand umgelegt wird. Aber ich mische mich auch nicht ein, wenn es passiert. Und wenn Bekannte von mir drinstecken, dann tut es mir leid. Aber ich weiß nichts. Ich weiß überhaupt nichts! Kapiert? Ich bin kein Polizeispitzel! Wenn ihr jemand sucht, dann sucht ihn. Dafür werden ihr doch bezahlt, ihr Schnüffler! Aber lasst mich aus dem Spiel! Ich weiß von nichts!«
Wir sagten nichts. Wir holten unsere Zigaretten hervor, rauchten und ließen sie nicht aus den Augen. Sie schlürfte den Rest ihres Kaffees. Sie stellte die Tasse zurück. Sie wartete. Wir auch. Aber wir hatten die besseren Nerven - und das ruhige Gewissen.
»Also was wollt ihr noch?«, schrie sie plötzlich. »Ihr geht mir auf die Nerven. Habt ihr das kapiert? Wer ersetzt mir meinen Verdienstausfall? Ich hätte bis jetzt schon die ersten zwanzig Dollar Trinkgeld haben können. Wer ersetzt mir das?«
Ich stand auf. Ich zog die Fotos. Ich legte sie ihr der Reihe nach auf den Tisch. Bilder zweier ermordeter, verstümmelter Männer. Sie sah weg. Ich legte ihr meine beiden Hände rechts und links an die Schläfe. Ich tat ihr nicht weh. Aber ich drehte ihren Kopf so, dass sie die Bilder sehen musste.
»Dieser Mann ist verheiratet«, sagte ich. »Der da rechts auf dem Bild. Und der auf der linken Seite hat eine nette Freundin. Die beiden Pärchen würden vielleicht heute Abend in einem Kino sitzen oder irgendwo tanzen. Wer ersetzt den beiden Frauen diese beiden Männer, Ann? Wer ersetzt Patricia Morgan ihren Ehemann? Wer ersetzt ihren beiden kleinen Kindern den Vater, Ann? Wer kann ihr den Schmerz bezahlen, der sie jedes Mal, wie mit glühenden Zangen foltern wird, wenn heute und morgen und übermorgen und noch in vielen Monaten diese Kinder fragen werden: Mutti, warum kommt Daddy denn nie wieder?«
Phil sagte
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