0229 - Herrin der Dunkelwelt
zahlreichen Nieten, und er bot auch Platz für das Messer und einen gefährlichen Schlagring.
»Du willst nicht, wie?« zischelte er. »Kann ich mir vorstellen. Aber ich will. Und wenn ich will, dann hast du auch zu wollen. Klar?«
»Nein!«
»Dann zeige ich es dir!« Jerry Shayne sprang plötzlich vor. Er packte mit beiden Händen zu und bekam die Schultern des Mädchens zu fassen. Dabei war er überrascht, daß die Kleine sich nicht einmal wehrte, und sie stemmte sich auch nicht gegen ihn, als er sie zurückdrängte in Richtung Ufer, wo ein besonders dichtes Gebüsch wuchs, hinter dem eine kleine Mulde lag.
Ideal für Jerrys Vorhaben.
Zum Ufer hin fiel das Gelände ein wenig ab. Dann kam der Gebüschgürtel, in den Jerry die Unbekannte hineindrängte. Er lachte dabei, und als die Zweige sich in den langen Haaren verfingen, da sah Jerry zum erstenmal den Körper. Er zuckte regelrecht zusammen, in seinem Körper gab es eine kleine Explosion, und es schüttelte ihn durch. Himmel, war das ein Weib!
Da stimmte alles. Der Schwung der Hüften, die Beine, die Brüste, die Schultern… »Mann, o Mann …«
»Wenn du mich nicht losläßt, dann töte ich dich!« erklärte das Mädchen plötzlich mit fester Stimme.
Jerry brauchte einen Augenblick, um die Worte zu begreifen. »Was sagst du da?« flüsterte er.
Sie wiederholte die Antwort nicht. Statt dessen löste sie ihre Haare von den Zweigen und legte die Strähnen wieder vor ihren Körper. »Du hast es genau verstanden!«
»Ja, das habe ich…«
»Also geh!«
»Nein, Süße. Jetzt erst recht nicht. Verdammt, ich habe dich gesehen, und ich will dich haben, darauf kannst du dich verlassen. Ich kriege dich auch, ich mache dich fertig…« Er schluckte und griff zu seinem Messer. Was Shayne in seinem Leben haben wollte, das hatte er sich immer genommen. Meist mit Gewalt. Hier hatte es ausgesehen, als brauchte er die Gewalt nicht einzusetzen, aber nun gab es keine andere Möglichkeit, er wollte sie mit Brutalität in die Knie zwingen und sich das holen, was ihm seiner Ansicht nach zustand.
Die Unbekannte starrte auf das Messer. In ihren seltsamen Augen bewegte sich nichts, aber dann, als Jerry Shayne zu einem Scheinangriff startete, da reagierte die Unbekannte. Und sie tat es auf eine Art und Weise, wie Shayne es noch nie erlebt hatte.
Die Augen waren plötzlich dunkel. Aber nicht nur sie, auch die Umgebung um Shayne herum verdunkelte sich. Er sah nur noch die Augen, die ihn grün aus der Schwärze anstarrten, und spürte plötzlich die Kräfte, die an seinem Körper zerrten und ihn hochhoben. Jerry schrie, als er durch die Luft flog, sich überschlug, auf die rechte Seite prallte, sich herumdrehte und rücklings liegenblieb. Die Knochen schmerzten. Ein paarmal atmete er heftig durch, schüttelte den Kopf, öffnete die Augen und sah wieder alles völlig normal vor sich.
Da waren die Bäume, da war der Rasen, und da erkannte er auch das Gebüsch am Seeufer, aus dem soeben die nackte Frau schritt. Jerry Shayne verzog das Gesicht. Er fühlte sich plötzlich unheimlich blamiert, winkelte die Arme an und stützte sich mit den Ellbogen auf.
Shayne wollte es einfach nicht wahrhaben, daß die Frau ihn besiegt hatte. Er schüttelte den Kopf und sah zu, wie die nackte Unbekannte an ihm vorbeiging, ohne ein Wort zu verlieren.
Sie würdigte ihn keines Blickes, sondern schlug den Weg ein, den Shayne gekommen war.
Wenn sie so weiterging, dann mußte sie genau auf das Lager stoßen, wo seine Kumpane hockten.
Drei waren es, und Jerrys Gesicht verzog sich zu einem bösen Grinsen. Gegen vier harte Typen würde auch sie nicht ankommen. Deshalb ließ Shayne sie gehen und stieß nur einen Warnpfiff aus, damit seine Kumpane Bescheid wußten. Schwerfällig stemmte er sich hoch. Einige Stellen an seinem Körper schmerzten, aber das würde er der Nackten zurückzahlen, mit Zins und Zinseszins. Gelassen streifte er seinen Schlagring über…
***
Sie lag da mit geschlossenen Augen und träumte. Es war ein seltsamer, schöner, aber auch gleichzeitig erschreckender und unheimlicher Traum. Sie sah sich in der Vergangenheit… Irgendwo in der Unendlichkeit zwischen Raum und Zeit kam sie sich wie eine Gefangene vor. Ihr Geist war vorhanden, ihr Körper auch, und beide befanden sich auf der Suche nach dem Trank des Vergessens.
Weit, weit entfernt war alles. Sie sah Reiche und Völker, verschiedene Welten und erlebte das Grauen. Aber sie griff nicht ein, sie schwebte über allem.
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