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023 - Das Kastell der Toten

023 - Das Kastell der Toten

Titel: 023 - Das Kastell der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca LaRoche
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eingeschnittene Rinne, die weiter aufwärtsführte, wirkte von hier unten wie ein schwarzes unheimliches Band.
    Dave zögerte einen Moment, grub die Zähne in die Unterlippe. Ein kühler Hauch schien ihn anzuwehen. Irgendetwas hielt ihn zurück, schreckte ihn ab — aber dann schüttelte er den Kopf über seine eigene Unvernunft und kletterte weiter.
    Der Weg war nicht gerade das, was man Alten und Gebrechlichen für einen Spaziergang empfehlen würde, aber einem halbwegs trainierten Mann bot er keine Schwierigkeiten. Nach zehn Minuten war das Dorf nicht mehr zu sehen — nur noch ein spärlicher Bachlauf wand sich durch die Schlucht. Dave kletterte langsam, vorsichtig und stetig aufwärts. Merkwürdigerweise schwitzte er nicht — ein heftiger trockener Wind wehte, zerrte an seinen Kleidern und wirbelte den Staub auf. Das brüchige Geländer war das einzige Zeichen, das überhaupt auf die Nähe einer menschlichen Ansiedlung hinwies. Viel Sicherheit bot es allerdings nicht. Die leise Gefahr des Abstürzens war immer gegenwärtig, und Dave fragte sich, ob die Polizei auch in diesem Gewirr aus Schluchten, Spalten und jähen Einschnitten nach seinem Bruder gesucht hatte.
    Er brauchte zwanzig Minuten, um das Plateau zu erreichen.
    Eine kahle Hochfläche, nackt, trostlos, flirrend in der Sonne und windgepeitscht. Ein seltsamer trockener Wind, der die Luft mit Elektrizität aufzuladen schien. Dave fröstelte trotz der Hitze. Er sah sich um, folgte den bizarren, gezackten Linien der Landschaft mit den Augen und begann dann, aufs Geratewohl über das Plateau zu gehen.
    Es war nicht groß, und es endete vor einem neuen schroffen Absturz, an dessen Rand windschiefe Tafeln mit Totenköpfen vor dem Weitergehen warnten. Angesichts der schwindelerregenden Tiefe war der Drahtzaun kein Schutz, sondern ein Witz. Dave blieb neben einem der umgekippten Pfosten stehen, schirmte seine Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und blickte über die endlose, kahle Felslandschaft hinweg.
    Das Schloss tauchte wie eine Vision aus dem Dunst: Zinnen, Türme, düstere, verfallene Gemäuer. Für einen Moment glaubte Dave tatsächlich an eine Sinnestäuschung, doch dann sagte ihm sein Verstand, dass es sich um Montsalve handeln musste. Das Schloss lag auf einer Felsenzunge, sehr hoch, unangreifbar und irgendwie drohend. Aus der Entfernung jedenfalls. Aus der Nähe würde es wahrscheinlich ebenso friedlich und verschlafen wirken wie andere solcher alten Gemäuer. Aber jetzt, allein in dieser Felsenöde, in dem kalten trockenen Wind und dem Staub, der immer wieder wie ein Schleier hochwallte und die Umgebung verbarg, da konnte Dave verstehen, warum die Dorfbewohner nicht gern hierherkamen.
    Er versuchte, sich noch näher an den Rand des Abgrunds heranzuarbeiten, aber er gab es auf, als die ersten Steine unter seinen Füßen wegbröckelten. Er musste sich erkundigen, ob hier oben nach Spuren eines Unfalls gesucht worden war. Rasch wandte er sich ab, ging wieder zurück und schlug diesmal einen Bogen, um auch die nördliche Seite des Plateaus in Augenschein zu nehmen.
    Auch hier bestimmten Steine und Geröll das Bild. Eine Verbindung zu den benachbarten Bergen schien es nicht zu geben — jedenfalls konnte Dave keine entdecken. Die Schluchten, die das Plateau an dieser Seite begrenzten, waren weniger tief, aber immer noch gefährlich. Nicht einmal Tiere schienen in dieser Einöde zu leben. Schließlich wandte sich Dave wieder um und umrundete ein paar Felsblöcke, um zu dem Pfad zurückzukehren.
    Nach drei, vier Schritten blieb er wie gebannt stehen.
    Sein Blick haftete an der kleinen Mulde zwischen den Felsen. • An dem dunklen Bündel im Staub.
    Seine Augen begegneten den Augen eines anderen. Blicklose, gebrochene Augen in einem bärtigen Gesicht. Und für einen Moment spürte er das Grauen wie einen Eishauch mitten in der Wüste.
    Er stand vor dem zerfetzten, grässlich verstümmelten Leichnam eines alten Mannes.
    Und selbst jetzt, im ersten Ansturm des Schreckens, wusste er glasklar, dass es kein gewöhnlicher Unfall gewesen sein konnte, der den Körper des Alten so zugerichtet hatte...
    ***
    »Und wie, zum Teufel, soll das passiert sein?« fragte er eine knappe Stunde später, als er mit den beiden einzigen Polizisten des Ortes wieder auf dem windgepeitschten Plateau stand.
    Der jüngere Beamte zuckte die Achseln. Er war bleich im Gesicht. Sein älterer Kollege, ebenfalls blass, kniete neben dem zerfetzten, verstümmelten Leichnam und schien etwas

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