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023 - Das Kastell der Toten

023 - Das Kastell der Toten

Titel: 023 - Das Kastell der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca LaRoche
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wurde noch blasser. In sichtlicher Angst schlang er die Finger ineinander.
    »Ich habe es nicht vergessen«, versicherte er hastig. »Ich wollte gerade ...«
    »Dumme Ausreden! Die Wasserschalen sind nicht gefüllt! Wenn du es noch einmal vergisst, bekommst du die Peitsche zu spüren, verstanden?«
    Marcello duckte sich unter den Worten und zog den Kopf zwischen die Schultern. Rasch wandte er sich ab und verschwand wieder durch die Tür. Die Alte starrte ihm nach, von lautlosem Gelächter geschüttelt, schloss die dürren Finger fester um den Silberknauf des Stockes und schlurfte weiter.
    Eine schwere, eisenbeschlagene Tür führte in den Schlosshof. Marcello war schon draußen, einen großen Krug in der Hand. Rasch füllte er die flachen Schalen, die überall herumstanden. Dabei vermied er es, die alte Frau anzusehen, die in der Tür wartete. Nur die drei weißen Katzen, die sich träge auf dem heißen Kopfsteinpflaster rekelten, streifte er mit einem scheuen Seitenblick.
    »Verschwinde, Marcello«, befahl die Alte herrisch. »Ich brauche dich nicht mehr.«
    Der junge Mann nahm den leeren Krug auf die Schulter und beeilte sich, in einem der schattigen Torbögen zu verschwinden. Die Marehesa sah ihm nach. Für einen Moment funkelten ihre Knopfaugen bösartig. Dann wandte sie sich ab — und jetzt, als sie zu einer der alten Steinbänke hinkte und sich niederließ, verschoben sich die Falten und Runzeln in ihrem Gesicht zu einem Ausdruck lockender Zärtlichkeit.
    »Kommt her, meine Lieblinge«, flüsterte sie. »Kommt her und seht, was ich für euch habe! Kommt, kommt...«
    Ein großer Schatten löste sich aus einem der tiefen Bogenfenster. Wie ein Pfeil sprang eine graue Katze auf den Boden, landete lautlos und rieb sich an dem Sockel der Steinbank. Ihre drei weißen Artgenossen huschten über den Hof. Irgendwo aus dem Schatten tauchte ebenfalls eine weiße Perserkatze mit tiefblauen Augen auf. Ihre Schwanzspitze zitterte. Mit einem geschmeidigen Satz sprang sie auf die sonnenwarme Steinbank und schnappte nach dem Leckerbissen, den die Marchesa aus irgendeiner unergründlichen Tasche ihres Gewandes hervorgeholt hatte.
    Die Alte kicherte.
    »Brav, meine Lieblinge«, flüsterte sie. »Brav, brav! Kommt, her, meine Süßen! Ich habe etwas für euch! So kommt doch...«
    Die Ecken und Winkel des Hofes waren erfüllt von huschender Bewegung. Von überall tauchten sie auf. Katzen. Kleine und große, reinrassige und Bastarde. Weiße, schwarze, gefleckte, gestreifte. Junge Katzen und alte, zerzauste Tiere. Katzen mit blauen, mit grünen, mit gelben oder orangefarbenen Augen...
    Die Marchesa lächelte, als sei sie in einem Traum befangen.
    Ihre dürren, knotigen Finger streichelten die Tiere, lockten, verteilten Leckerbissen. Ihre Knopfaugen verfolgten jede Bewegung der Katzen, und der zahnlose Mund murmelte leise und unaufhörlich Zärtlichkeiten...
    ***
    »Es ist oben auf dem Plateau geschehen, nicht wahr?«
    Dave fuhr zusammen. Er hatte mit Tessa das Dorf verlassen, jetzt saßen sie im Schatten eines Felsblocks.
    »Ja«, sagte er langsam. »Kennen Sie die Gegend?«
    Tessa nickte. »Ich bin hier aufgewachsen. Im Schloss.«
    »Im Castel Montsalve?«
    Wieder nickte sie. »Ich wohne dort mit meiner Großmutter und meinen Schwestern. Hier im Dorf war ich immer fremd. Ein seltsamer Ort...«
    Dave fuhr zusammen.
    »Warum?« fragte er leise.
    »Warum?« Tessas Bernsteinaugen forschten in seinem Gesicht. »Nun ja — die Menschen sind abergläubisch, voller Ängste und Hirngespinste. Sie fürchten alles und jedes. Auf das Plateau wagen sie sich nicht hinauf, weil dort der Geist eines wahnsinnigen Mörders umgehen soll. Dummes Gerede!«
    »Ich weiß nicht...«, murmelte Dave gedankenverloren.
    Tessa hob die Brauen. »Sie wissen nicht?«
    »Na ja, ich...« Er zuckte die Schultern und versuchte, das unbehagliche Gefühl abzuschütteln. »Auch mein Bruder hat Cala Correggio einen seltsamen Ort genannt«, meinte er. »Er ist hier verschwunden, vor fast einem Jahr.«
    »Verschwunden? Hier?«
    Dave nickte.
    Fast gegen seinen Willen begann er, die ganze Geschichte zu erzählen. Er sprach rasch, monoton. Und sachlich. Sachlicher und nüchterner, als er je vorher über Jims Verschwinden hatte sprechen können.
    Lag es an der Gegenwart dieses schönen fremden Mädchens?
    An den bernsteinfarbenen Augen, die so klar waren und doch so undurchdringlich und voller Rätsel?
    »Ich werde ihn finden«, schloss er, als müsse er es sich selbst

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