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023 - Das Kastell der Toten

023 - Das Kastell der Toten

Titel: 023 - Das Kastell der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca LaRoche
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zu suchen.
    »Vielleicht abgestürzt«, sagte der jüngere.
    »Aus den Wolken?« fragte Dave sarkastisch. »Oder vielleicht vom Gran Sasso?«
    Wieder war ein Schulterzucken die Antwort. Der ältere Beamte stand auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte ein breites rotes Gesicht, breite Schultern und dichtes schwarzes Stoppelhaar.
    »Sie sollten die Polizeiarbeit der Polizei überlassen, Signore«, sagte er.
    Dave presste die Lippen zusammen. Ganz kurz streifte sein Blick die kleine Gruppe der Dorfbewohner, die ihnen auf das Plateau gefolgt waren. Vier, fünf Männer, eine magere alte Frau, die in ihrem langen schwarzen Kleid und dem schwarzen Kopftuch fast so vermummt wirkte wie eine verschleierte Orientalin. Die meisten Leute waren wohl auf der Straße zusammengelaufen, aber rasch wieder in ihren Häusern verschwunden, als sie gehört hatten, was passiert war. Irgendetwas schien die Neugierigen zurückzuhalten, schien selbst die kleine Gruppe der Mutigen in ein tiefes und atemloses Schweigen zu bannen. Dave sah zu der Leiche hinüber und spürte einen kalten Schauer auf der Haut.
    »Ich habe nicht vor, mich in Ihre Arbeit zu mischen«, sagte er. »Aber Sie müssen doch zugeben, dass dies hier äußerst merkwürdig ist. Mehr als merkwürdig, meiner Meinung nach.«
    »Si«, sagte der Breitschultrige nur.
    Dave spürte deutlich seine Ablehnung, aber er kümmerte sich nicht darum. Der Schock saß ihm noch in den Gliedern. Der Schock ... und das beklemmende Gefühl, einem Ereignis gegenüberzustehen, das genauso unerklärlich war wie das Verschwinden seines Bruders.
    »Hören Sie zu«, sagte er geduldig. »Ich bin hier, um meinen Bruder zu finden. Er ist verschwunden, ohne Anlass, ohne Grund oder Erklärung. Sie müssen doch verstehen, dass mich interessiert, was hier vorgeht und ...«
    »Es ist ein Einheimischer, Signore. Mario Capricci, der Schäfer. Was soll er mit Ihrem Bruder zu tun haben?«
    »Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass er jedenfalls nicht verunglückt ist. Das hier sieht mir verdammt nach einem Mord aus. Ist so etwas schon öfter hier vorgekommen?«
    Der Breitschultrige zuckte die Achseln. »Ich bin nicht befugt, Ihnen Auskünfte zu geben. Kommen Sie bitte morgen früh zur Wache, um Ihre Aussage zu machen.«
    »Werden Sie die Mordkommission benachrichtigen?«
    »Si, Signore. Kommen Sie morgen zur Wache, bitte.«
    Dave sah ein, dass er im Moment nichts weiter tun konnte.
    Mit fest zusammengepressten Lippen wandte er sich ab. Während er wieder den Pfad zum Dorf einschlug, versuchte er, Klarheit in seine Gedanken zu bringen. Der erste Schock war abgeklungen. Bei ruhiger Überlegung erschien es ihm immer wahrscheinlicher, dass der Tod des alten Schäfers etwas mit seinem Bruder zu tun hatte. Ein Mord vermutlich. Oder ein Racheakt. Eines dieser irren, makabren, maßlosen Verbrechen, wie sie gerade in abgeschiedenen Gegenden manchmal vorkommen. Aber Mario Capricci war nicht verschwunden, wäre auch ohne Daves Auftauchen über kurz oder lang gefunden worden — und von seinem Bruder fehlte jede Spur.
    Als er an der Kirche vorbeiging, zündete er sich eine Zigarette an. Tief sog er den Rauch ein, bemühte sich, den schrecklichen Anblick zu vergessen, der ihn so unvermutet getroffen hatte.
    Es musste ein Zufall sein, dass diese Geschichte gerade jetzt passiert war. Dave hoffte immer noch, dass er seinen Bruder wohlbehalten wiederfinden würde, sein Unterbewusstsein weigerte sich, eine andere Möglichkeit zu akzeptieren — und all das machte es ihm leichter, mit dem Schock fertig zu werden.
    Scheue Blicke folgten ihm, als er über die Straße ging. Am Brunnen stand eine erregt diskutierende Gruppe beisammen, in der er Maria und den dicken Wirt entdeckte. Er betrat die Schankstube, darauf gefasst, sie leer zu finden — und blieb nach zwei Schritten überrascht stehen.
    An einem der Tische saß ein Mädchen.
    Keine Einheimische, das erkannte er sofort. Sie trug weiße Hosen und ein weißes Polohemd — eine Aufmachung, in der sich die Frauen des Dorfes niemals hätten sehen lassen. Glattes blauschwarzes Haar, zu einer Pagenfrisur geschnitten, umrahmte ein blasses, großflächiges, dabei feinknochiges Gesicht, die zarten Züge wirkten beinahe durchscheinend. Der Mund war groß und weich geschwungen, die Brauen schmal und gewölbt — und unter dichten Wimpern leuchteten wie heller, klarer Bernstein die schönsten Augen, die Dave jemals bei einer Frau gesehen hatte.
    Erst ihr spöttisches

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