023 - Der grüne Bogenschütze
einen Augenblick, dann griff er nach der Pistole, die er stets auf seinem Nachttisch liegen hatte. Vorsichtig stand er auf, die Pistole schußbereit in der Hand.
Die Tür stand jetzt weit offen - jeden Augenblick konnte jemand im Zimmer stehen. Eine Minute verging, ohne daß sich etwas ereignete. Bellamy rannte bis zur Tür, wartete, machte einen Schritt hinaus.
Der Mond schien durch die Gangfenster, die Halle war silbrighell erleuchtet.
Zuerst konnte er nichts entdecken, aber dann bewegte sich etwas aus dem Schatten ins helle Licht. Eine schlanke, grüne Gestalt mit todblassem Gesicht stand vor Bellamy und hielt einen Bogen in der Hand. Eine Täuschung war ausgeschlossen.
Einen Augenblick starrte der Alte wie gebannt auf die Erscheinung, dann hob er die Pistole und schoß zweimal.
Als Bellamy schoß, schien die Gestalt zu verschwimmen und sich im Schatten, aus dem sie getreten war, aufzulösen. Er stürzte vorwärts, aber die Stelle, an der die grüne Erscheinung gestanden hatte, war leer. Die Schüsse hatten zwei große Löcher in der Wandverkleidung hinterlassen.
Bellamy schaute sich um. In der Nähe befand sich die Tür, hinter der eine Wendeltreppe zu den Zimmern der Dienstboten hinaufführte. Er versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er eilte den Gang entlang, bis er zu Savinis Schlafzimmer kam. Er rüttelte heftig an der verschlossenen Tür.
»Savini!« rief er laut.
Nichts rührte sich. Inzwischen waren einige Dienstboten von dem Lärm wach geworden. Ein alter Mann, nur mit Hemd und Hose bekleidet, kam durch den Gang gelaufen.
»Was ist geschehen, Mr. Bellamy?«
»Fragen Sie nicht so dumm! Tun Sie etwas. Wir müssen das ganze Schloß durchsuchen. Wecken Sie die andern Diener und telefonieren Sie rasch nach dem Portier!«
In diesem Moment öffnete sich Savinis Tür. Er war im Schlafanzug und blinzelte verstört ins Licht.
»Was ist ...« stotterte er schlaftrunken.
Bellamy stürzte sofort ins Zimmer und sah sich argwöhnisch darin um. Ein Fenster stand offen, er ging darauf zu und schaute hinaus. Ein schmaler Mauervorsprung zog sich unmittelbar unter dem Fenster der Mauer entlang, breit genug, daß ein schwindelfreier Mann darauf gehen konnte.
»Haben Sie die Schüsse nicht gehört?«
»Was ist denn los?«
»Ziehen Sie sich sofort an und kommen Sie in die Bibliothek hinunter!« befahl der Alte.
Mit raschem Griff riß er dem Sekretär die Jacke auf und starrte auf die bloße Brust darunter. Er fluchte vor Enttäuschung, denn unter dem Schlafanzug hatte er ein anliegendes grünes Trikot erwartet.
Savini kleidete sich hastig an und eilte in die Bibliothek, in der Bellamy zornig auf und ab lief.
»Wer hat die Tür zur Dienertreppe abgeschlossen?« fragte er.
»Ich - das tue ich doch jeden Abend. Sie haben mir ja selbst den Auftrag dazu gegeben.«
Ein durchdringender Blick traf den Sekretär.
»Und den Schlüssel haben natürlich Sie?«
»Nein, der Hausmeister. Er muß morgens die Tür öffnen, um die Mädchen einzulassen, die oben saubermachen.«
Bellamy kniff die Augen zusammen.
»Savini, wenn Sie nicht irgendwie mit diesem grünen Bogenschützen zu tun haben, dann irre ich mich gewaltig! Holen Sie sofort Wilks!«
Julius verschwand und kam bald mit dem Hausmeister wieder zurück. Wilks hatte den Schlüssel tatsächlich in der Tasche.
Bellamy nahm eine Taschenlampe aus dem Schreibtisch. Sie verließen zu dritt die Bibliothek und stiegen in den oberen Stock zu den Schlafzimmern hinauf. Der Hausmeister öffnete mit seinem Schlüssel die Tür zur Wendeltreppe. Nach oben führte sie zu den Dienstbotenzimmern, nach unten zu den Wirtschaftsräumen.
Bellamy entsicherte seine Pistole und stieg, mit der Lampe vorausleuchtend, die Treppe hinunter. Der Hausmeister und Savini folgten ihm. Unten gelangten sie an eine unverschlossene Tür zu einem Nebenraum der Burgküche. Dieser Raum hatte noch zwei Türen, die aber von innen verriegelt waren.
Bellamy leuchtete in jeden Winkel, ohne etwas Ungewöhnliches entdecken zu können.
»Nichts - wo zum Teufel könnte ...«, murmelte er und suchte weiter, bis der Morgen graute.
Vor dem Feuer in der Bibliothek trank er eine Tasse heißen Kaffee. Savini war stehengeblieben und sah ihm zu.
»Irgend etwas steckt hinter dieser Geschichte mit dem grünen Bogenschützen. Ein Geist? Blödsinn! Ich glaube weder an Geister noch an den Teufel und lasse mir von nichts Ober- oder Unterirdischem Furcht einflößen. Der
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