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023 - Der grüne Bogenschütze

023 - Der grüne Bogenschütze

Titel: 023 - Der grüne Bogenschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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sich an dem Strick vom Fenster in den Park hinunter, nachdem er seine ganzen Gerätschaften schon vorher hinabgelassen hatte.
    Unten begann er seine merkwürdige Arbeit. Dicht neben der Burgkapelle trieb er einen der Rohrbolzen in den Boden. Der Gummihammer machte fast gar keinen Lärm. Dann huschte er im Schatten der Mauer weiter, hielt nach ein paar Schritten an und trieb ein zweites Rohr in die Erde. Da diese Sonden im Boden fast verschwanden, bezeichnete er die betreffenden Stellen mit Steinen.
    Auf diese Weise umkreiste er die ganze Burg, bis er wieder zu der Stelle kam, an der er begonnen hatte. Er sah auf die Uhr und wartete noch eine Viertelstunde, bis er den ersten Bolzen herauszog. Im Schein der Taschenlampe untersuchte er das Thermometer. Es zeigte sechs Grad, also eine normale Bodentemperatur. Er ging weiter und zog ein Rohr nach dem andern heraus. Alle Thermometer standen ungefähr auf dem gleichen Punkt. Nur eines der Dinger fehlte jetzt noch. Er hatte die Stelle verpaßt und suchte lange ohne Erfolg.
    Plötzlich wurde über ihm ein Fenster aufgerissen. Er drückte sich dicht an die Mauer und sah erst jetzt, daß er sich unmittelbar unter Bellamys Fenster befand.
    »Dort ist er!« brüllte Bellamy mit voller Lautstärke.
    Im ersten Moment dachte der Hausmeister, er sei entdeckt worden, aber dann vergaß er seine eigene kritische Lage völlig, als sich aus dem Schatten der nördlichen Umfassungsmauer eine Gestalt löste und quer über den Rasen auf eine Gruppe von Sträuchern zueilte.
    Es war eine Frau, und der Hausmeister wußte sofort, wer es war. Ohne zu überlegen, rannte er ihr nach.
    Bellamy war an dem Abend nicht gleich zu Bett gegangen, sondern hatte sich noch ein wenig ans offene Fenster gestellt, um über die Entdeckungen des heutigen Tages nachzugrübeln. Er dachte an die Zeit vor einundzwanzig Jahren. Was für ein Zusammentreffen! Sicher gab es Tausende, die den Namen Howett trugen, aber eine Valerie Howett, die aus Montgomery County stammte - das war doch etwas anderes.
    »Wenn sie es nun wirklich ist -?«
    Er lächelte spöttisch. Was für eine Nachricht könnte er dann der längst ergrauten Frau bringen!
    Abwesend starrte er in den dunklen Park hinab. Plötzlich schreckte er aus seinen Gedanken auf. Dort unten bewegte sich ein Schatten. Gleich darauf sah er eine schlanke Gestalt über eine freie, vom Mondlicht beschienene Stelle eilen. Er schrie laut zum Fenster hinaus und rannte in den Korridor. Zwei der Hunde sprangen auf und folgten ihm hinunter in die Halle, wo die beiden andern lagen. Er zog die Riegel zurück und schloß die Haupttür auf.
    Ja, drüben bei den Sträuchern lief jemand!
    »Vorwärts, faßt ihn!« brüllte er.
    Die vier Hunde rasten los.
    Die Gestalt eilte jetzt im Schatten der Bäume der Mauer entlang. Zwei Hunde hatten sie erspäht, aber nur einer nahm die Verfolgung auf.
    Valerie Howett lief, so schnell sie konnte. Ihr Herz klopfte wild, sie keuchte und fand kaum noch Atem. Der Hund, der sie verfolgte, kam näher und näher, und irgendwo noch weiter zurück hörte sie einen Menschen laufen. Ihr einziger Gedanke war, daß sie die Leiter erreichen mußte. Hinter ihr japste der Hund. Der Revolver, den sie in der Tasche trug, und der ihr ständig gegen die Hüfte schlug, kam ihr gar nicht in den Sinn.
    Jetzt noch ein kleines Bord - der Hund war schon so nah, daß er nach ihrem Bein zu schnappen versuchte. Die Angst jagte sie vorwärts, sie lief, ohne die Anstrengung zu spüren, ohne Besinnung - sonst wäre sie in diesem Augenblick vor Schreck zusammengebrochen. Klar und scharf umrissen tauchte jetzt eine schlanke, grüne Gestalt mit einem geisterhaft weißen Gesicht vor ihr auf. Ein langer Bogen blitzte grün im Mondlicht.
    Valerie hielt nicht an, sie rannte weiter. Sie sah noch, wie der Bogen sich etwas hob, hörte die Sehne schwirren. Hinter ihr schlug ein schwerer Körper dumpf auf. Sekundenlang zurückblickend erkannte sie einen gelb-schwarz gefleckten Hund, der sich am Boden wälzte. Sie brach ohnmächtig zusammen.
     
26.
     
    »Mr. Howett läßt fragen, ob Sie zum Frühstück kommen können, gnädiges Fräulein?«
    Valerie fuhr im Bett hoch und strich sich mit der Hand über die Stirn. Ihr Kopf schmerzte.
    »Zum Frühstück?« fragte sie benommen. »Ja, ja, ich komme.«
    Hatte sie geträumt? Sie schauderte bei der Erinnerung an die vergangene Nacht. Nein, es war kein Traum gewesen! Ihr Kleid lag beschmutzt auf einem Stuhl. Wie hatte das Abenteuer bloß geendet?

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