023 - Der grüne Bogenschütze
Als sie wieder zu sich gekommen war, befand sie sich im Wohnzimmer von Lady's Manor - doch wie war sie da hingekommen? Der grüne Bogenschütze! Hatte er sie über die Mauer getragen? Die Leitern mußten sie ja verraten haben. Schnell sprang sie aus dem Bett.
»Du hättest ruhig noch ein wenig schlafen können, Valerie«, begrüßte sie Mr. Howett und küßte sie. »Fühlst du dich nicht wohl? Du siehst nicht gut aus.«
Sie murmelte irgend etwas und beendete das Frühstück so rasch wie möglich, um sich entfernen zu können. Zuerst lief sie in den Park und ging zur Mauer. Die beiden Leitern lagen im Gebüsch. Selbst daran hatte der grüne Bogenschütze gedacht! Sie kehrte ins Haus zurück und wollte sich im Wohnzimmer umsehen. Das Mädchen hatte inzwischen dort aufgeräumt und ein paar herumliegende Kleinigkeiten wie gewöhnlich in eine Schale gelegt. Valerie fand darin die abgesprengte Hälfte eines Manschettenknopfs. Er war aus Gold und trug ein Monogramm. Das goldene Kettchen war zerrissen. Sie hielt das flache Plättchen zwischen den Fingern und las das Monogramm.
›J. L. F.‹ - James Lamotte Featherstone! Das konnte doch nicht wahr sein!
Gleich darauf wurde ihr Besuch gemeldet - Spike Holland, der von Neuigkeiten übersprudelte.
»Vergangene Nacht war der grüne Bogenschütze wieder da. Diesmal hat er einen der Hunde erwischt. Bellamy schäumt vor Wut. Offenbar hat er den Bogenschützen zufällig entdeckt und die Hunde auf ihn losgelassen. Resultat - ein vollständig toter Hund! Aber damit ich's nicht vergesse, Miss Howett, ich bringe Ihnen vor allem eine Einladung von Abel Bellamy, dem hochwohlgeborenen Herrn von Garre Castle.«
»Eine Einladung - für mich?«
»Ja - Bellamy ist auf einmal zugänglicher geworden. Er will sich in seiner Burg als Fremdenführer betätigen - wenigstens in Ihrem Fall. Ihren Namen hat er in der Zeitung gelesen. Er wußte nicht, daß Sie hier wohnen, und bittet Sie nun schleunigst um einen Antrittsbesuch.«
»Wie merkwürdig -«
»Übrigens bezieht sich die Einladung nicht auf Mr. Howett - und natürlich auch nicht auf mich. Wenn Sie aber hingehen, Miss Howett, lassen Sie es mich bitte trotzdem wissen. Es wäre ein guter Vorwand für mich, mir die Burg auch anzusehen, und er kann mich nicht gut abweisen, wenn ich als Ihr Begleiter auftrete.«
Valerie überlegte.
»Gut, ich werde heute nachmittag nach dem Essen hingehen. Ist diese Zeit Mr. Bellamy wohl recht?«
»Werde ich telefonisch feststellen - sicher ist ihm die Zeit ganz gleichgültig.«
»Mr. Holland, wissen Sie eigentlich, wo sich Captain Featherstone zur Zeit aufhält?«
»Gestern war er in London. Julius hat ihn dort gesehen.«
Als Valerie wieder allein war, dachte sie abwechselnd über die Gründe von Bellamys Einladung und die Ereignisse der letzten Nacht nach. Bestimmt hatte Featherstone sie ins Haus gebracht! Die zerbrochene Schüssel fiel ihr wieder ein - und der grüne Pfeil!
»Es ist nicht möglich -«, sagte sie laut und versuchte sich die absurde Idee aus dem Kopf zu schlagen, daß Jim Featherstone, der Polizeiinspektor, mit dem grünen Bogenschützen identisch sein könnte.
Im Verlauf des Vormittags setzte sie ihre Erkundungen im Haus fort und suchte die Angestellten in der Küche auf. Sie hatte ihre Taschenlampe bei sich.
»Ich möchte mir den Kohlenkeller einmal ansehen.«
»Sie werden sich bestimmt ganz schmutzig machen, gnädiges Fräulein«, warnte sie ein Mädchen, aber sie ließ es sich nicht ausreden.
Eine Reihe von Treppenstufen führten in einen großen, unfreundlichen Kellerraum. In einer Ecke lag ein Haufen Kohlen aufgeschüttet, darüber befand sich eine Luke, durch die man die Kohlen vom Garten aus hineinschaufeln konnte. Vom Kohlenkeller aus führten drei Türen in andere Kellerräume. Der eine hatte einmal als Weinkeller gedient, im zweiten standen vereinzelte leere Flaschen und alte Kisten herum. Die dritte Tür war verschlossen. Valerie bemerkte, daß das Schloß neu war. Sie leuchtete mit der Taschenlampe durch das vergitterte Guckloch in ein dunkles Kellergelaß hinein, aber außer einem schwarzen Koffer konnte sie nichts entdecken. Alle Bemühungen, die Tür zu öffnen, waren vergeblich.
27.
Nach den Erfahrungen der letzten Zeit sah Valerie ihrem Besuch in Garre Castle mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie hatte noch nie mit Abel Bellamy gesprochen. Ob sie ihren Haß und Widerwillen würde verbergen können?
Warum nahm die Polizei, wenn sie einen begründeten
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