023 - Der grüne Bogenschütze
Das ist ein Klub, der von einem gewissen Coldharbour Smith geführt wird. Allem Anschein nach wurde sie dort schon seit zwei Jahren gefangengehalten.«
»Warten Sie!« rief sie, eilte in ihr Zimmer und zog sich hastig um. Ihre Hände zitterten vor Aufregung.
Der Mann, der sich Sergeant Brown nannte, wartete in der Halle.
»Captain Featherstone dachte, es wäre bequemer für Sie, wenn ich Sie gleich mit unserem Wagen ...«
»Das ist sehr liebenswürdig«, erwiderte sie dankbar.
Sie schrieb schnell ein paar Zeilen für Mr. Howett und stieg ein. Den Chauffeur konnte sie nicht erkennen.
Als sie bei der Toreinfahrt von Garre Castle vorbeikamen, mußten sie anhalten, um einen dorfwärts auf der Landstraße fahrenden Lastwagen vorüberzulassen. Julius Savini stand zufällig vor dem Pförtnerhaus und schaute erst gleichgültig auf den Wagen, der dicht vor ihm hielt. Aber dann erkannte er nicht nur den Wagen, sondern auch seine Insassen - Miss Howett und ihren Begleiter. Er selbst stand im Dunkeln und konnte nicht gesehen werden. Den Entschluß, den Julius von einer Sekunde zur andern faßte, konnte er sich nachher selbst nicht erklären. Auf jeden Fall lief er hinter dem eben anfahrenden Auto her und schwang sich hinten auf den Gepäckträger. Zum Glück war der Wagen eine altmodische Limousine und der Gepäckträger ein unförmiges Gestell, auf dem sowohl ein Überseekoffer als auch ein Mensch leicht Platz fanden. Seine ganz Kraft anspannend, klammerte sich Julius an den Stäben fest. Leise vor sich hinfluchend, verwünschte er schon seine Voreiligkeit.
Das Auto sauste durch die hellerleuchteten Straßen der Londoner Vorstädte. Verwundert drehten sich die Passanten nach dem Mann auf dem Gepäckträger um.
Valerie sprach während der Fahrt kein Wort. Unentwegt malte sie sich die Begegnung mit ihrer Mutter aus und dachte mit keinem Gedanken, daß etwas nicht in Ordnung sein könnte. Der Name Captain Featherstone und der Sergeant an ihrer Seite beruhigten sie völlig.
Vor dem hinteren Eingang des ›Goldenen Ostens‹ hielt der Wagen an, und ihr Begleiter führte sie über eine dunkle Treppe hinauf in ein kleines Zimmer. Dort saß ein Mann, in dem sie sogleich Coldharbour Smith vermutete.
Mr. Smith erhob sich lächelnd, begrüßte sie und erwähnte, der Captain habe eine Nachricht für sie hinterlassen. Er unterbrach sich und sagte nicht, um was für eine Nachricht es sich handle, sondern bot ihr ein Glas Sekt an. Er öffnete auch sofort die Flasche - zur Erfrischung, wie er meinte. Ungeduldig lehnte sie ab.
»Also, Miss -«, begann Coldharbour endlich, »Captain Featherstone hat Ihre Mutter gefunden - ja, Ihre Mutter ...«
»Meine Mutter!« rief Valerie aufgeregt. Dieses Wort zerstreute alle Bedenken wieder, die ihr in dieser seltsamen Umgebung und vor allem, weil sie Jim hier nicht vorfand, langsam doch gekommen waren.
»Ja, sie wurde gefunden, gerade als der alte Bellamy sie nach Südamerika schicken wollte. Sie ist sehr krank, Miss.« Smith schüttelte bedauernd den Kopf. »Der Captain sagte nun, Sie möchten sofort nachkommen. Ihre Mutter liegt auf der ›Contessa‹, einem Südamerika-Dampfer, der Sergeant wird Sie hinbringen.«
»Auf ein Schiff? Aber das geht doch nicht ...« stammelte sie.
»Die ›Contessa‹ ankert in der Themse. Machen Sie sich so schnell wie möglich auf den Weg, Mr. Featherstone sagte, es wäre sehr eilig!«
Hätte Valerie ruhig überlegt, wäre ihr die ganze Sache jetzt bestimmt doch verdächtig vorgekommen, aber in dem Zustand, in dem sie sich befand, konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Die Aussicht, daß sie jetzt gleich ihre Mutter sehen sollte, verwirrte sie völlig.
Der Wagen fuhr durch enge Straßen, wandte sich einmal scharf nach links und hielt zwischen hohen Häusern. Ein schmaler Durchgang führte zum Fluß. In der Nähe spielten ein paar schmutzige Kinder.
»Dort unten wartet das Boot auf Sie, Miss Howett.«
Ohne zu zögern ging sie mit ihrem Begleiter zum Kai. Im Motorboot warteten einige Männer. Einer erhob sich und stellte sich als ›Sergeant Cross von der Strompolizei‹ vor.
»Captain Featherstone erwartet Sie an Deck, Miss.«
Sie stieg ein - und plötzlich bekam sie furchtbare Angst. Alles kam ihr so unheimlich vor, das Motorboot stieß sofort ab, und die Männer betrachteten sie mit Blicken, aus denen sie nicht klug wurde. Immer wieder tröstete sie sich mit dem Gedanken, daß sie ja gleich Jim sehen würde.
Kurz darauf erreichten sie das Schiff,
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