023 - Die Vampir-Klinik
dicker, schwerfälliger Mann, den immer eine Whiskyfahne umwehte.
Rizzo wußte über alles Bescheid, man konnte ihn überall einsetzen. Er kümmerte sich um Gesunde und Kranke, um das Personal, die Müllverbrennung, den Abtransport der Toten.
Er half in der Küche aus, spielte Putzfrau, wenn es sein mußte, servierte den Patienten das Essen oder spielte mit ihnen Schach, wenn sie Langeweile hatten.
Rizzo war ein Unikat, ein einmaliger Mensch, eine Extraausgabe.
Da er schon länger als jeder Arzt in dieser Klinik arbeitete, konnte man in ihm auch einen halben Mediziner sehen.
Er war ein erstaunlich guter Diagnostiker und kannte für fast jede Krankheit die entsprechende Therapie. Das war Rizzo. Nebenbei hörte er auch noch, so sagte man, das Laub faulen und wußte stets den neuesten Klatsch zu berichten.
Mit diesem Rizzo stießen Peggy Coughlin und Dr. Pat Hingle vor dem Fahrstuhl zusammen. Von der Frau im Nachthemd wußte er natürlich bereits. Der Teufel mochte wissen, wie er immer so schnell an seine Informationen kam. Es schien nichts in der Klinik passieren zu können, ohne daß Rizzo es nicht im Handumdrehen wußte.
»Schlimme Sache, das mit der Frau, Dr. Hingle«, sagte Rizzo.
Pat Hingle drückte auf den Rufknopf des Aufzugs. »Ja«, sagte er, während er ungeduldig wartete, bis die Kabine eintraf.
»Wollen Sie wirklich noch operieren? Die Frau soll schon tot sein«, sagte Rizzo.
»Sie ist erst tot, wenn ich es festgestellt habe!« knurrte Hingle.
»Natürlich, Dr. Hingle. Natürlich. Sie sind der Arzt. – Wissen Sie schon das Neueste? Schwester Clara soll von einem richtigen Vampir angefallen worden sein. Hier in der Klinik. Und dieser blutgierige Teufel ist noch im Haus. Im Keller hält er sich versteckt.«
Pat Hingle musterte Rizzo mit einem unwilligen Blick. »Sind Sie betrunken, Rizzo? Was erzählen Sie denn da für einen Unsinn? Es gibt keine Vampire. Das sind Schauermärchen.«
»Wenn Sie Schwester Clara gesehen hätten, würden Sie anders reden. Dr. Fraser wollte es zuerst auch nicht glauben.«
Der Fahrstuhl kam. Hingle und Peggy Coughlin betraten die Kabine. Die Tür schloß sich hinter ihnen. Rizzo blieb draußen.
»Ein Vampir«, sagte Hingle ärgerlich. »So ein Blödsinn.« Er drückte auf den Etagenknopf. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. »Rizzo scheint das Maß der Dinge verloren zu haben. Hast du die Whiskyfahne gerochen?«
»Die hat er doch immer.«
»Es wird Zeit, daß man ihm das abstellt«, sagte Hingle mürrisch.
»Er fängt ja schon an, weiße Mäuse zu sehen.«
Der Lift hielt an. Pat Hingle stieß die Tür auf. Er eilte mit Peggy einen langen Gang entlang.
Während sie sich umzogen, bereitete Dr. Roger Moon, der Anästhesist, sein Gerät für die Operation vor. Er befand sich allein im OP IV. Allein mit der Vampirin Melusine!
***
War Torack hinter mir? War es ihm gelungen, hinter meinen Rücken zu gelangen? Geduckt fuhr ich herum. Ich kam mir selbst vor wie eine zusammengepreßte Sprungfeder.
Die Faust mit dem magischen Ring hatte ich zum Verteidigungsschlag erhoben, doch meine überreizten Sinne schienen mir einen Streich gespielt zu haben, denn hinter mir war niemand.
Dennoch blieb das lästige Gefühl in mir, daß sich mir jemand näherte. So falsch konnte mein sechster Sinn doch nicht reagieren. Ein verräterisches Geräusch erreichte mein Ohr. Also doch!
In Gedankenschnelle verschwand ich hinter einer Tür. Sie bot mir Schutz, war ein gutes Versteck. Wenn Torack durch die Tür trat, konnte ich ihn an mir vorbeilassen und ihm dann in den Rücken fallen.
Gespannt wartete ich. Immer deutlicher gewahrte ich die Bewegung in meiner Nähe. Vladek Rodensky konnte das nicht sein. Er durchstreifte den Klinikkeller an einer anderen Stelle.
Ich lehnte mich an die Wand und hörte das heftige Pochen meines Herzens. Die Spannung verdichtet sich ungeheuer schnell und wurde unerträglich. Dennoch durfte ich nicht zu früh losschlagen.
Ich mußte den besten Moment abwarten, und der war noch nicht gekommen. Ich grub meine Zähne in die Unterlippe. Im Kofferraum meines Peugeot lag eine magische Streitaxt.
Ich hätte sie mitnehmen sollen. Mit dem Ring konnte ich Torack nicht töten. Ich konnte ihn schwächen, sogar kampfunfähig schlagen – wenigstens für kurze Zeit –, aber ich konnte den Vampir mit dem magischen Ring nicht vernichten.
Das Geräusch elektrisierte mich. Jetzt war er mir schon ganz nahe. Gleich würde das nervenzermürbende Warten ein Ende
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