0235 - Disco-Vampir
Ort?«
Professor Zamorra sah sie entgeistert an. Dann schüttelte er den Kopf.
»Kommt gar nicht in Frage!« bestimmte er dann. »Du willst nur in Düsseldorf auf der Kö die teuersten Boutiquen leerkaufen. Ich kenne deine Rhein-Touren! ›Gehn wir da mal rein… und da mal rein.‹ Nein, nein, liebe Nici. Während ich den Kofferraum eines Pkw voll Wein kaufe, hast du einen Möbelwagen mit Textilien geordert. Schlag dir das nur aus dem Kopf!«
»Aber Chef!« zog Nicole einen Schmollmund. »Wer will denn so weit fahren. Aber stell dir vor, so ein paar sonnige Tage an der Mosel zu verbringen, das wäre doch herrlich. Weit weg von der Hektik des Alltags…!«
»und weit weg von dieser abscheulichen Arbeit!« vollendete sie den Satz in Gedanken.
»Die Mosel!« kam Professor Zamorra ins Nachdenken. »Ja, warum eigentlich nicht. Pater Aurelian in Rom hat mir einige interessante Hinweise gegeben, daß dort in Trier so verschiedene römische Ruinen… !«
»Nein, nicht dienstlich!« protestierte Nicole.
»Es hat diesmal nichts mit der Schwarzen Familie zu tun!« klärte Zamorra auf, der in den Kreisen der Hölle als gefürchteter Dämonenjäger bekannt war. Pater Aurelian, dem die geheimen Bibliotheken des Vatikan unterstellt waren, war sein Freund und Mitkämpfer gegen die Gewalten der Finsternis. Und bei seinem letzten Aufenthalt in Rom hatten sie nicht nur einen mächtigen Dämonen besiegt und einen Angriff des Zauberers Amun-Re abgeschlagen, sondern Pater Aurelian hatte dem Freund auch die antiken Bauwerke der Ewigen Stadt gezeigt und damit sein Interesse geweckt.
»Ich will die Ruinen der Kaiserthermen sehen!« erklärte Professor Zamorra seiner ehemaligen Sekretärin. »Und die Porta Nigra, das alte Amphitheater, die Barbarathermen… es gibt wirklich in Trier viel zu sehen. Auch das Geburtshaus von Karl Marx!« fügte er schelmisch hinzu.
»Vergiß dann bloß nicht, auch noch deinen Weißwein zu kaufen!« erinnerte Nicole. »Wann fahren wir?«
»Wenn ich mein Frühstück beendet habe!« erklärte Zamorra und köpfte sein weichgekochtes Frühstücksei.
***
Wie ein schwarzes Leichentuch senkte sich die Nacht über die Erde. Nur der Mond goß verschwenderisch sein Silberlicht über den ehemaligen Friedhof aus. Myriaden von Sternen glitzerten am Himmel.
Stille lag über dem Park, unter dem der Friedhof lag. Nur von Feme drang der Lärm einer der Hauptausfallstraßen von Trier herüber. Es war nicht sehr weit bis zum Zentrum der Stadt.
Die Menschen hatten es sich entweder vor dem Fernseher gemütlich gemacht, oder sie tranken ein Gläschen am Stammtisch, besuchten eines der Kinos oder gingen in die Discothek zum Tanzen.
So bemerkte niemand, daß sich dort, wo am Tage die Arbeiter geschuftet hatten, etwas regte. Leise drang das Knarren von Brettern durch die Nacht. Dann hörte man kleine Erdklümpchen auf einen Hohlraum fallen.
Plötzlich schien es aus der Erde hervorzukriechen. Langsam, unendlich langsam, griffen zwei Hände über den Rand des Erdgrabens. Und dann spiegelte sich der Mond auf dem kalkigen Gesicht des Mannes, den vor mehr als hundertfünfzig Jahren ein durchgehendes Fuhrwerk überrollt hatte.
Das Silberkreuz versperrte ihm nun nicht mehr den Weg. Und der Strahl des Mondes hatte den Vampir wachgeküßt. Leben war in den bis dahin im Totenschlaf traumlos dahinschlummemden Vampir gekommen. Und ohne sich dessen bewußt zu sein, tat er das, was ihm seine Instinkte eingaben. Mit gewaltigen Kräften stemmte er den Deckel seines Sarges empor und entstieg dem Grab.
Man sagt, daß das Licht des Mondes einem Vampir Stärke gibt. Auch der eben aus dem Grabe Entwichene sog den Silberschein des Erdtrabanten in sich ein wie ein in der Wüste Verschmachtender das Wasser.
Langsam begann wieder das zu arbeiten, was man als Verstand bezeichnen kann. Bebende Lippen bemühten sich zu reden.
»Ich bin Tobias Fürchtegott Heinleyn!« klang es einsam durch die Nacht. »Ich bin ein Schneidergesell aus Nürnberg, der freien Reichsstadt. Und ich bin auf der Wanderschaft durch deutsche Lande, um noch mehr von dem ehrsamen Handwerk zu lernen… !«
Nur das ferne: »Kuwitt! Kuwitt!« eines Waldkauzes drang als Antwort herüber.
»Ich weiß nicht, ob ich tot war oder ob ich geschlafen habe!« klang die Stimme Heinleyns hohl. »Was immer es war. Ich lebe! Und ich will wieder unter Menschen gehen. Ah, welches Gefühl rast in mir… ich muß etwas tun… aber was muß ich tun… Menschen… die Liebe einer schönen
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