0237 - Mit Mörderblick und Todeslächeln
vorstellen.
Es dauerte nicht einmal lange, da öffnete Maria Ketto die Augen. Sie schaute mich an, und ich zuckte zurück.
Nein, das war kein normaler Blick mehr. In diesen Augen leuchtete etwas anderes.
Der nackte Wahnsinn!
Es war für mich nicht einfach, dies zu begreifen, aber ich mußte mich mit den Tatsachen abfinden. Von Maria Ketto konnte ich nichts erfahren. Sie war geistig gestört. Vielleicht wußte sie nicht einmal, was sie getan hatte.
Ihre Reaktionen jedenfalls zeigten genau das Gegenteil.
Sie riß ihren Mund auf und kicherte. Dabei sprühte sie mir Speichel ins Gesicht, und ihre Hände fuhren tastend und zitternd über meinen Körper.
»Maria!« sprach ich sie an. »Hören Sie mich?«
Sie kicherte wieder.
»Komm«, sagte sie und versuchte, mich hinunterzuzerren. »Bleib bei mir. Wir beide machen es uns schön!« Sie lachte schrill und wollte aufstehen.
Ich ließ sie.
Hastig erhob sie sich vom Bett. Sie trug einen roten Rock, der noch den Schmutz des Dachbodens zeigte, ebenso wie der graue Pullover. Sie drehte sich im Kreis. Das dunkle Haar flog, und sie klatschte dabei in die Hände.
Irgendwie war es schaurig, so etwas mit ansehen zu müssen, und ich fröstelte.
Dann schrie sie ohne Übergang los. »Tod… Der Tod. Ich habe ihn gesehen. Die Skelette im Keller, die grinsenden Schädel, den Kopf in der Küche. Es gehört mir, nur mir!« Sie warf die Arme hoch, als wollte sie etwas fangen, das jedoch nicht vorhanden war. Von einer Sekunde zur anderen sackte sie dann zusammen und schluchzte auf.
Ein Fußtritt schleuderte die Tür nach innen. Auf der Schwelle stand der Bauer. Er hielt ein Jagdgewehr in der Hand. Die Mündung wies genau auf mich.
»Was haben Sie mit ihr angestellt?« schrie er mich an. Sein Gesicht war zorngerötet, die Lippen zuckten, und der Mann sah so aus, als wollte er jeden Moment abdrücken.
»Augenblick mal«, sagte ich, wobei ich sicherheitshalber beide Arme hob. »Ich habe nichts mit ihr gemacht.«
»Ja!« schrie er. »Ich sehe es!«
Maria störte sich daran nicht. Sie tanzte weiter und sang Lieder vom Tod und Sterben, allerdings in Ungarisch und zudem mit ein paar Brocken Englisch vermischt. Danach ließ sie sich einfach fallen.
»Mein Name ist John Sinclair, und ich bin von Scotland Yard«, erklärte ich mit ruhiger Stimme.
Er zuckte zurück. »Polizei?«
»Sicher.«
»Beweisen Sie es.«
Ich holte meinen Ausweis hervor. Er schaute darauf, kam noch näher, so daß ich Gelegenheit bekam, ihm das Gewehr aus der Hand zu schlagen, ließ es jedoch bleiben. Er senkte die Flinte auch so und stotterte: »Das wußte ich nicht.«
»Dann wissen Sie es eben jetzt!«
Er drehte den Kopf, um auf das Mädchen zu schauen. »Was ist denn mit ihr geschehen?«
»Sie ist wahnsinnig und wollte sich umbringen.«
Der Bauer wurde bleich. »Was?«
»Ja, sie sprang vom Dachgebälk, und fast hätte sie es auch geschafft. Ich konnte sie im letzten Augenblick vor Schlimmerem bewahren und ihr die Schlinge abstreifen.«
Der Mann schlug sich gegen die Stirn. »Das kann ich nicht begreifen. Wie kann sie das tun?«
»Wissen Sie nicht, was sie hinter sich hat?«
»Ja, da war so eine Sache…«
»Genau die«, erwiderte ich und nickte. Auf Einzelheiten wollte ich nicht eingehen. »Haben Sie Telefon?«
»Unten.«
»Gut, dann kommen Sie mit.« Ich mußte unbedingt telefonieren. Maria Ketto durfte unter keinen Umständen allein gelassen werden. Mit einem Blick auf Maria gewandt sagte ich: »Man wird sie abholen müssen.«
Der Bauer schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht fassen. Sie war ein so ruhiges Mädchen, ist ihrer Arbeit nachgegangen und hat auch bei mir auf dem Hof freiwillig und gern geholfen. Nur in letzter Zeit, da war sie etwas komisch.«
»Wieso?«
»Nach dieser Entdeckung. Sie erzählte mir mal, daß sie etwas Schlimmes gesehen habe, aber nicht darüber sprechen dürfe. Von Skeletten hat sie sogar geredet und dann geschrien. Die hat ja richtig durchgedreht. Ist sie wahnsinnig?«
»Wahrscheinlich.«
Der Landwirt schüttelte sich, als ob ihm kalt wäre.
Ich dachte darüber nach, daß es schon oft Menschen gegeben hatte, die in einen Kreislauf des Grauens geraten waren und das Geschehen nicht verkraften konnten. Meist waren diese Menschen dann für lange, lange Zeit verloren.
Auch dachte ich an die Worte, die mir Maria noch vor kurzem entgegengeschleudert hatte. Sie hatte da von Skeletten im Keller gesprochen, von Köpfen. Welchen Keller meinte sie nun? Den hier unter
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