0238 - Die Angst kriecht in das Kellerloch
unter dem Dach in der dreißigsten Etage befand. Gleich darauf aber kam er abwärts.
»Halten Sie hier bitte die Stellung, Captain«, sagte Phil. »Ich will mit dem Mädchen sprechen, sobald sie unten angekommen ist.«
»In Ordnung, Decker.«
»Kommen Sie bitte mit rüber zum Fahrstuhl«, bat Phil den Tramp und den Sergeant. »Wenn sie es abstreitet, möchte ich, dass Sie ihre Aussage vor ihr wiederholen.«
»Darauf können Sie sich verlassen, Sir«, brummte der Alte. »Was ich gesehen habe, habe ich gesehen.«
Sie warteten in der Nähe der Tür, hinter der der von dem Tramp gezeigte Lift halten musste. Es dauerte ungefähr zwei Minuten, bis sich die beiden Holztüren auseinanderschoben. Dahinter kam das Scherengitter und danach klappte die Harmonikatür nach beiden Seiten auseinander. Eine neue Gruppe von aufgeregten Leuten schob sich aus dem Fahrstuhl heraus und strömte den Ausgängen zu. Phil wartete, bis der Letzte an ihm vorbeigegangen war. Dann trat er einen Schritt vor und setzte den linken Fuß so auf, dass er genau auf dem Schlitz zwischen Fahrstuhl und dem Fußboden der Halle stand, sodass es dem Mädchen nicht möglich war, die Türen zu schließen.
»Hallo«, sagte Phil freundlich, als er das Mädchen erkannte. Es war die Studentin der Mathematik und der theoretischen Physik, die uns an diesem Tage schon einmal mit ihrem Lift befördert hatte.
»Gut, dass ich Sie noch einmal sehe«, meinte das Mädchen und zeigte nicht die geringsten Anzeichen eines schlechten Gewissens. »Nun kann ich doch endlich mal jemand fragen, der es wissen muss.«
»Wonach fragen?«
»Was hier los ist! Die tollsten Gerüchte gehen um. Das ganze Haus gleicht einem aufgescheuchten Bienenschwarm. Was hat das alles zu bedeuten?«
»Bevor ich Ihnen diese Frage beantworte, möchte ich gern, dass Sie mir ein paar Auskünfte geben. Vor einiger Zeit, es ist noch nicht lange her, haben Sie hier in der Halle mit einem jungen Mann gesprochen, der seit ein paar Tagen nicht mehr dazu kam, sich zu rasieren. Erinnern Sie sich?«
»Ach, den seltsamen Kauz meinen Sie!«, rief das Mädchen. »An den erinnere ich mich genau. Man kriegt nicht alle Tage solche Augen zu sehen.«
Phil stutzte. »Was für Augen?«
»Solche, wie sie der junge Mann hatte, von dem Sie reden. Der mit den Bartstoppeln.«
»Was war denn mit seinen Augen?«
Das Mädchen zuckte die Achseln.
»Das ist schwer zu beschreiben. Die Lider waren stark gerötet, die Augen selbst lagen tief in den Höhlen. In den Pupillen stand ein ganz eigenartiger Glanz. Wissen Sie, etwa so, wie man sich einen starken Fanatiker vorstellt oder einen Verrückten, oder einen, der von einer fixen Idee besessen ist. Vielleicht kommt Ihnen das albern und lächerlich vor, aber auf mich haben seine Augen diesen Eindruck gemacht.«
»Das kommt mir gar nicht lächerlich vor«, sagte Phil ernst und dachte: Blythe steckt also schon mitten drin in der Panikstimmung!
»Was ist denn mit dem Jungen?«, erkundigte sich das Mädchen unbefangen.
»Kannten Sie ihn nicht?«, fragte Phil zurück.
»Nein. Obgleich…«
»Obgleich was?«
Wieder zuckte sie die Achseln.
»Ich weiß nicht. Irgendwie kam mir das Gesicht bekannt vor. Ich habe schon eine ganze Weile darüber nachgedacht, aber ich komme nicht darauf, wo ich dieses Gesicht schon einmal gesehen habe. Ist der Mann irgendwie berühmt? Kann man sein Bild mal in einer Zeitung gesehen haben?«
Phil nickte langsam.
»Ja, das ist schon möglich. Aber ich glaube eher, dass Sie sein Gesicht von einer anderen Abbildung her kennen, nämlich von der auf einem Steckbrief. Es gibt doch bestimmt eine Art Aufenthaltsraum für das Fahrstuhlpersonal, nicht wahr?«
»Ja, natürlich. Irgendwo müssen wir ja schließlich mal was essen können.«
»Und hängen in diesem Aufenthaltsraum nicht ein paar Steckbriefe an den Wänden?«
»Ja!«, rief das Mädchen. »Woher wissen Sie denn das?«
»Taxichauffeure, Zeitungsverkäufer und Fahrstuhlpersonal«, erklärte Phil, »das ist in New York für die Polizei beinahe die wichtigste Bevölkerungsschicht. Niemand kann sich in dieser Stadt bewegen, ohne nicht immer wieder mit Angehörigen dieser drei Berufsgruppen zusammenzukommen. Deshalb versorgen wir diese Leute auch immer mit unseren Steckbriefen.«
»Ich verstehe«, nickte die Studentin. »Und Sie meinen, dieser unrasierte Kerl ist auf einem Steckbrief abgebildet, der in unserem Aufenthaltsraum hängen soll?«
»Ich bin ziemlich davon überzeugt«, nickte Phil.
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