0238 - Die Angst kriecht in das Kellerloch
»Wenn Siel dem Burschen wieder begegnen sollten, lassen Sie sich nichts anmerken und verständigen Sie uns bei der nächsten Gelegenheit. Falls Sie etwa der Meinung sein sollten, das hätte etwas mit Verpfeifen oder Verrat zu tun - der arme, von uns gehetzte Bursche hat nicht viel auf dem Gewissen. Er ist Ihres Mitleides völlig unwürdig. Er hat nämlich ein kleines, unschuldiges, 34 wehrloses Kind umgebracht - mit seinen eigenen Händen.«
Phil gab dem Sergeant und dem Tramp mit dem Kopf ein stummes Zeichen, dass sie ihm folgen sollten. Ohne dass er sich umdrehte, wusste Phil, dass ihm das Mädchen aus weit aufgerissenen Augen nachstarrte. Sie hatten sich noch keine fünf Schritte vom Fahrstuhl entfernt, als der Alte auch schon neugierig fragte: »Warum haben Sie die Kleine nicht danach ausgequetscht, was Blythe mit ihr zu besprechen hatte?«
»Weil es fraglich ist, ob sie schon bereit gewesen wäre, zu reden«, erwiderte Phil. »Sie hatte Mitleid mit dem Burschen. Wenn man sich darauf versteht, kann man es im Gesicht der Leute ablesen, wenn sie mit jemandem Mitleid haben.«
»Verstehe«, murmelte der alte Tramp. »Deswegen haben Sie ihr die Tatsache, dass Blythe ein Kindesmörder ist, auch gleich mit dem Holzhammer ins Gedächtnis gedroschen. Jetzt wollen Sie das ein bisschen wirken lassen und danach werden Sie wieder mit ihr sprechen, Stimmt’s?«
»Genau«, nickte Phil. »Ich denke, dass sie dann auspacken wird. Sie muss sich erst einmal richtig klarmachen, was er auf dem Gewissen hat. Dann wird ihr Abscheu größer als ihr Mitleid werden. Und dann wird sie auch sprechen. Jetzt hätte sie womöglich gelogen, weil ihr Mitleid mit ihm noch zu groß ist.«
»Ihr seid mir doch ein paar ganz durchtriebene Burschen«, sagte der alte Tramp. Aber es klang sehr nach einer Anerkennung.
»Wenn ich nur wüsste, ob es Blythe war, der vorhin auf den Polizisten am Ausgang geschossen hat«, murmelte Phil. »Dann wüssten wir nämlich endgültig, ob Blythe eine Schusswaffe hat oder nicht. Und das wissen wir bis jetzt eben noch nicht.«
»Agent, es war nicht Blythe!«, schaltete sich Sergeant Snyder ein. »Er kam ein kurzes Stück auf mich zugerannt, bevor er neben einer Säule in eine andere Richtung abbog. So konnte ich sein Gesicht deutlich erkennen. Es war ein anderer Mann. Ich glaube, er heißt Bill Hough, aber sicher bin ich nicht.«
»Woher kennen Sie ihn?«, fragte Phil erstaunt.
Snyder machte eine vage Geste.
»Agent, die Frage kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten. Wer so viele Jahre in einem Bezirk Dienst getan hat wie ich, der kennt am Ende jeden zweiten oder mindestens dritten Einwohner dieses Bezirkes, ganz einfach weil man ihnen immer wieder begegnet. Aber ich weiß wirklich nicht mehr, wo ich Hough kennengelernt habe.«
»Im Grunde interessiert mich das ja auch gar nicht«, gab Phil zurück. »Was ist das für ein Mann, dieser Hough? Was treibt er?«
»Ich weiß auch das nicht genau, Agent«, sagte Sergeant Snyder vorsichtig. »Aber ich meine, ich hätte gehört, dass er für Vander arbeitet.«
»Vander, Vander…«, murmelte Phil nachdenklich. »Den Namen habe ich doch auch schon einmal gehört…«
Und dann fiel es ihm wieder ein: Das Fahrstuhlmädchen hatte von einem gewissen Vander gesprochen. Was hatte sie doch gleich gesagt? Ach ja: Alle Männer, die Pistolen tragen, wollen immer zu Mr. Vander. So oder ähnlich hatte sie sich doch ausgedrückt…
»Hören Sie, Sergeant«, sagte Phil langsam und eindringlich, »ich möchte, dass Sie sich mal im Haus ein bisschen nach diesem Vander umhören. Tun Sie das völlig unabhängig von unserer Suche nach Blythe.Es sieht ja fast so aus, als ob wir hier in ein richtiges Wespennest gestochen hätten…«
***
Das Mädchen hieß Denny Prack. Als sie noch die Oberschule besucht hatte, gehörte sie zu einer weiblichen Pfadfindergruppe. Ihren Lehrern war ihre außergewöhnliche mathematische Begabung aufgefallen, und das hatte Denny schließlich bewogen, die Fächer Mathematik und theoretische Physik an der Universität zu belegen.
Als Phil sie so jäh stehen ließ, starrte sie ihm eine Weile erschrocken nach. Dann wurde sie wieder von ihren Pflichten in Anspruch genommen. Noch verkehrten ja die Fahrstühle. Aber während sie mechanisch die Handgriffe tat, die nötig waren, um den Lift in Betrieb zu halten, dachte sie daran, wie ihr Gespräch mit Blythe verlaufen war.
Er hatte sie angesprochen und sie an einen Wochenendaufenthalt in einem
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