0239 - Der letzte Raum hat keine Fenster
»Sie haben es für nötig gehalten, sich einen Privatdetektiv zu engagieren, der Ihnen Ihren Schmuck zurückbeschaffen sollte. Der Mann war außerordentlich tüchtig, und zwar leider zu tüchtig. Er fand die Wohnung des toten Räubers noch, bevor ich sie ausfindig machen konnte, aber er lief dessen Mörder in die Finger und wurde von diesem totgeschlagen. Dass es mir fast ähnlich ergangen wäre, ist eine Sache für sich, und wahrscheinlich wäre das nicht geschehen, wenn ich nicht durch die Leiche des Mr. Hotch abgelenkt worden wäre. Nur so konnte der Kerl entkommen, und ich bin der Überzeugung, er hat Ihren Schmuck gefunden und mitgenommen.«
»Kennen Sie den Kerl?«, fragte sie.
»Nur von Ansehen, aber das genügt. Er hat ein Gesicht, das ich nicht vergessen werde, und wenn ich hundert Jahre alt werden sollte.«
»Und Sie glauben, dass er das Collier hat?«
»Ich bin davon überzeugt. Es sei denn, die Stadtpolizei habe es inzwischen gefunden.«
Der Fernsprecher klingelte. Mercedes meldete sich.
»Einen Augenblick«, sagte sie und reichte mir den Hörer.
»Hallo, hier Crosswing. Wir haben in der bewussten Wohnung eine vielsagende Entdeckung gemacht. Auf dem Schrank lag ein schwarzes Köfferchen, wie es Juweliere für den Transport von Schmucksachen gebrauchen. Wir haben Mr. Dunkerk dieses Köfferchen vorgelegt, und er hat uns bestätigt, dass dieses das gestohlene Collier enthalten habe. Damit dürfte wenigstens der Weg, den der Schmuck genommen hat, geklärt sein.«
»Danke schön, Lieutenant«, sagte ich. »Ich bin soeben bei Miss Passada, der ich die neueste Entwicklung berichtet habe.«
»Ich würde sie einmal gewaltig in die Zange nehmen«, meinte Crosswing. »Sie macht mir immer den Eindruck, als ob sie mit etwas hinterm Berg halte.«
»Manchmal habe ich diesen Eindruck auch. Wir reden noch darüber«, sagte ich und legte den Hörer auf die Gabel.
Dann wendete ich mich an Mercedes.
»Ich habe soeben die Bestätigung meines Verdachtes erhalten. Das Köfferchen, das den Schmuck enthielt, ist vorhin in der Wohnung des Räubers und Mörders der Angestellten von Dunkerk gefunden worden. Der Schluss, dass der Mann mit der Hasenscharte das Collier mitgenommen hat, hegt also sehr nahe.«
»Ha… sen… scharte…«, stammelte sie, und ich hörte das Entsetzen in ihrer Stimme. »Wer hat eine Hasenscharte?«
»Der Gangster, der Hotch ermordete und dasselbe auch bei mir versuchte.«
»Das glaube ich nicht«, stieß sie hervor.
Sie stand mit dem Rücken gegen den Schreibtisch gelehnt, und ihre Hände krallten sich um die Platte. Ihr Gesicht war eine weiße, starre Maske trotz der gebräunten Haut.
»Das glaube ich nicht. Das ist nicht wahr.«
Dann fing sie an, ganz leise zu wanken. Ihre Lider flatterten und schlossen sich. Sie knickte in die Knie und wäre zu Boden gestürzt, wenn Phil sie nicht aufgefangen hätte. Während er sie auf die Couch bettete, riss ich die Tür auf und rief.
»Janette! Kommen Sie bitte schnell.«
Sie stand wie aus dem Boden gewachsen vor mir, als habe sie nur auf diesen Ruf gewartet.
»Miss Passada ist ohnmächtig geworden«, sagte ich.
»Das kommt vor«, meinte sie gleichmütig, aber als sie die schmutzigbraune Hautfarbe des Gesichtes sah, schien sie zu merken, dass es keine inszenierte Ohnmacht sei.
Sie rannte nach Wasser und Riechsalz, und es dauerte dann nicht lange, bis Mercedes langsam die Augen auf schlug und sich staunend umsah.
»Was ist denn mit mir?«, flüsterte sie, und dann fiel ihr Blick auf uns, die wir uns diskret in eine Ecke zurückgezogen hatten.
»Verzeihen Sie, aber die Aufregung war zu viel für mich, und außerdem gibt es für mich nichts Furchtbareres als ein entstelltes Gesicht. Als Sie vorhin davon sprachen und ich mir den Mann vorstellte, wurde mir schlecht.«
Unter diesen Umständen konnten wir nichts anderes tun, als uns zu verabschieden. Phil drückte ihr nochmals unser Bedauern aus und wünschte gute Besserung.
Janette öffnete uns die Tür.
»Guten Abend, meine Herren«, lächelte die hübsche Janette, und als sie uns dann Auf Wiedersehen wünschte, hatte ich den Eindruck, dass sie damit in der Hauptsache meinen Freund meinte.
»Hast du eigentlich etwas von ihr erfahren?«, fragte ich ihn, als wir in meinem Jaguar saßen und den River Side Drive in Richtung der Downtown hinunterfuhren.
»Nichts, was mit dem Diebstahl des Schmuckes zu tun haben könnte, aber sie hat mir eine recht treffende Charakteristik von ihrer
Weitere Kostenlose Bücher