024 - Beim Volk der 13 Inseln
viel Sorgfalt hergestellt worden. In der kleineren fand sie mehrere Messer verschiedener Länge, zwei Streitäxte und ein Kurzschwert mit Scheide und Gurt. Eines der Messer nahm sie an sich. Und eine Axt.
Die größere Truhe war mit Fellen, Decken und Stoffen vollgestopft. Aruula fand ein Lederhemd mit langem Arm, eine Schnürweste aus hellgrauem Taratzenfell, Beinkleider aus Wakudapelz und viele Schnürriemen, mit denen man die Kleidungsstücke am Körper befestigen konnte. Auch eine braune Lederkappe mit langem Ohren- und Nackenschutz war unter den Stoffen.
Aruula legte die Beinkleider an, schnürte sie fest, schlüpfte in das Lederhemd und streifte die Taratzenfelljacke darüber. Die Sachen passten einigermaßen. Sie steckte sich das Messer und die Axt in den Gürtel. Zum Schluss warf sie sich ihren eigenen Fellmantel über und stülpte sich den Helm auf den Kopf. Es dauerte seine Zeit, bis sie ihre störrische Haarmatte darunter verborgen hatte.
Hastig verschlang sie ein paar geräucherte Fische und spülte die Bissen mit Wasser hinunter. Das Tongefäß mit dem Räucherfisch stellte sie neben Dschonn, den gefesselten Fischer. Das Wasser leerte sie in eine Schüssel, die sie ebenfalls in seiner Reichweite absetzte.
So hatte er Wasser, ohne auf seine Hände angewiesen zu sein. Auch sein Schlaffell warf sie über ihn.
Er fluchte lautstark. Aruula verstand kein Wort. »Spar dir deinen Atem«, sagte sie und schnallte sich ihr Schwert auf den Rücken. »Wenn Regen und Sturm aufgehört haben, wird dich schon jemand hören.« Grußlos verließ sie das Haus.
Ein großer Kolk schwang sich aus dem Geäst eines Baumes, als sie in den Wald hinein Richtung Plymeth lief…
***
Emily Priden sah ihn an. Schwieg und sah ihn an.
»Was ist los, General Priden?« Leonard Gabriel musterte die zierliche Frau mit der blauschwarzen Kurzhaarperücke aus schmalen Augen. Sie stand noch immer an der Stelle der Kuppelwand seines Privatraums, in der sich vor wenigen Minuten die Tür geschlossen hatte. »Habe ich mich missverständlich ausgedrückt?«
»Im Gegenteil, Sir Gabriel, sehr deutlich sogar.« Ihre Stimme klang gepresst.
Der Prime stand aus seinem Glassessel auf und ging zu ihr. »Na also, dann tun Sie, was ich Ihnen sage. Rüsten Sie Scout III für eine etwa zwanzigstündige Expedition aus.«
»Und welchen Kurs soll der EWAT (Earth-Water-Air-Tank) nehmen?« Etwas Lauerndes trat in Pridens blaue Augen. Schöne Augen übrigens, so schön, dass der Prime von Salisbury jede Gelegenheit begrüßte, die es ihm gestatte, in diese blauen Frauenaugen zu blicken.
»Sie wissen, welchen Kurs Scout III nehmen wird, General.« Dicht vor ihr blieb er stehen. Er konnte ihre Parfüm riechen -Wildkirsche. »Und seinen Auftrag kennen Sie auch, oder sollte ich mich täuschen?«
Sie nickte langsam. »Ich nehme an, er wird jemanden in die Nähe der Stadt transportieren, der sich der Wilden annehmen soll.«
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Begriff vermeiden könnten, General Priden.« Gabriel verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wandte sich ab. »Lady Aruula mag in Tierfelle gehüllt mit einem primitiven Schwert auf dem Rücken durch die Weltgeschichte streifen. Ich gebe sogar zu, dass ihre Tischmanieren zu wünschen übrig lassen. Dennoch hat sie vielleicht mehr Verstand und Intuition als einige der Ladies und Gentlemen in den Octaviaten.«
Wieder nickte Emily Priden. Wie alle in der Community wusste die Militär-Octavian von Gabriels verstorbener Frau - ebenfalls eine Barbarin. Und wie nur Wenige ahnte sie, dass der Prime die Interessen Commander Drax nicht zuletzt deswegen so nachdrücklich vertrat, weil auch er eine Barbarin liebte. Vielleicht war sie sogar der einzige Mensch in den beiden Communities, die hinter seine Maske aus Härte und Intellekt blicken konnte.
»Ich stimme Ihnen zu, Sir Gabriel.«
Behutsam wählte sie ihre Worte. »Sie entsinnen sich gewiss, dass ich für Ihren Antrag gestimmt habe. Allerdings möchte ich Sie auf unseren Bündnisvertrag mit London hinweisen: Abstimmungsergebnisse beider Octaviate sind bindend.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Emily.« Er ließ sich wieder vor seinem Lesepult nieder.
Der vertrauliche Ton, den er anschlug, überraschte sie. »Wir leisten uns ein gewisses Maß an Demokratie. Die Londoner mehr als wir, zugegeben. Aber haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass die Mehrheit nicht unbedingt Recht haben muss?«
Pridens aufgemalte Brauen wanderten nach oben.
Weitere Kostenlose Bücher