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024 - Lebendig begraben

024 - Lebendig begraben

Titel: 024 - Lebendig begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Vielleicht ist alles wirklich nur ein Alptraum, aber ich glaube es nicht. Seit Sie aus dem Sarg stiegen, kann ich keine Nacht mehr schlafen. Ich ahnte beinahe, dass Sie kommen würden.“
    Ich sah sie verwundert an.
    Sie senkte den Kopf. „Selbst wenn ich mir sage, dass mein Vater verrückt ist, und sein Hass ihn blind macht, dass er sich nicht eingestehen will, dass nur Amandas Tod daran schuld ist, selbst dann quält mich der Gedanke, es könnte doch etwas Wahres dahinterstecken. Ich meine, es geschieht heutzutage nicht mehr, dass Leute begraben werden, wenn sie nicht tot sind.“
    „Ich kann Sie verstehen“, stimmte ich zu. „Es ist unheimlich. Ich spüre das am allermeisten. Ich verstehe es ja auch nicht – diese Verjüngung und den Gedächtnisverlust. Das muss der Schock gewesen sein. Ich bin sicherlich dem Tod sehr nahe gewesen.“
    Sie beachtete meine Worte nicht. Wie in Trance fuhr sie fort: „Als ich Sie sah, habe ich mir geschworen, auf Nummer sicher zu gehen. Ich will einen Pakt mit Ihnen schließen.“
    „Einen Pakt?“ entfuhr es mir.
    Sie nickte. „Ich möchte nicht zu Ihren Feinden gehören.“
    Ich schüttelte den Kopf. „Sie kommen sich wohl besonders klug vor?“
    „Ich gehe das Risiko ein, dass ich mich zum Narren mache“, sagte sie tonlos, „aber ich will nicht für Ignoranz büßen.“
    „Den Gläubigen ist alles möglich“, bemerkte ich kopfschüttelnd.
    Sie nickte. „Ich werde meine Angst nicht los, wenn ich sie leugne. Ich muss sicher vor Ihnen sein – als Ihre Verbündete. Bitte!“
    So eindringlich klang ihre Bitte, dass ich einen Augenblick seufzend den ganzen Irrsinn akzeptierte und ihre dargebotene Hand in die meine nahm. Es war ein gutes Gefühl, sie zu halten.
    „Was kannst du für mich tun?“ fragte ich.
    Sie lächelte erleichtert. „Dich schützen vor meinem Vater. Gerhard …“
    „Schützt du nicht eigentlich ihn vor mir?“ stellte ich grinsend fest.
    „Ist es nicht gut so?“ meinte das Mädchen. „Wenn wirklich – der Teufel in dir ist, dann kann man ihn nicht aus der Welt schaffen, indem man dich tötet. Es ist einmal nicht gelungen und es wird wieder nicht gelingen. Du hast es sehr treffend gesagt: Der Teufel schützt das Seine. Aber Vater wird es wieder versuchen. Ich hingegen glaube nicht, dass Gewalt etwas gegen den Dämon in dir auszurichten vermag. Aber vielleicht findet sich ein Weg, dich von ihm zu befreien.“ Sie sah mich ernst an. „Diesen Weg will ich suchen, Gerhard. Wenn du mich lässt – als dein Partner.“
    Statt einer Antwort nahm er sie in die Arme und küsste sie. Sie zuckte zusammen, aber sie wehrte sich nicht. Mit einer furchtsamen Ergebenheit fragte sie: „Willst du jetzt mit mir schlafen?“
    Ich ließ sie los.
    „Ich möchte schon“, sagte ich, „aber so wie du es sagst, klingt es wie eine Gefälligkeit. Und ich bin nicht einmal sicher, ob ich es bin, dem du diese Gefälligkeit erweisen möchtest – oder dem Teufel.“
     

     
    Mir kam immer mehr zum Bewusstsein, was es hieß, ohne Erinnerung zu sein. Ich wandelte umher wie im Traum – einem Traum, der alle Qualitäten eines Alptraumes besaß. Leute grüßten mich, die ich nicht kannte – nicht mehr kannte. Namen wurden genannt, die mir so fremd waren, wie einem Neugeborenen – nur mit dem einzigen verdammten Unterschied, dass ich verstand und begriff, was einem Neugeborenen gnädig versagt ist.
    Am schlimmsten war das Zusammenleben mit Millie. Sie gab sich alle mühe; sie ahnte oder wusste, dass sich etwas grundlegend in mir verändert hatte seit jener Auferstehung. Millie hatte mich nie geliebt – im Sinne von leidenschaftlicher Zuneigung – aber Gewohnheit und Freundschaft hatten uns recht gut zusammengeleimt. Nun löste sich dieser Leim auf, und wir sahen beide zu, wie die Teile auseinander fielen. Ohne Erinnerung ist jede Freundschaft, jede Gewohnheit bedeutungslos, wenn sie nicht die Liebe immer neu beweist.
    Ich machte ihr nichts vor – wenigstens nicht mehr als mir selbst. Und wenn sie es auch nicht verstand – ebenso wenig wie ich – so akzeptierte sie es auf eine stille Art, die mir versicherte, dass ich mir in ihr keinen Feind gemacht hatte. Sie half mir und beantwortete meine Fragen. Auf diese Weise erfuhr ich viele kleine Dinge, die mir im Umgang mit Bekannten halfen. Ein wenig Vergesslichkeit konnte ich immer noch vorgeben, wenn ich’ nur das Wesentliche wusste; denn auch Vergesslichkeit schafft Feinde.
    Ich war offenbar nicht sehr beliebt. Ich hatte

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