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024 - Lebendig begraben

024 - Lebendig begraben

Titel: 024 - Lebendig begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Ich packte nur die notwendigsten Dinge in einen handlichen Koffer, alles übrige konnte ich später holen, wenn ich erst einmal wusste, wo ich bleiben würde. Ich wollte untertauchen – in irgendeinem unbedeutenden Nest verschwinden, wo mich niemand kannte, und wo ich ein neues Leben beginnen konnte; ein Leben ohne die Vergangenheit, ohne Geisslers Fanatismus, Hass oder Neugier. Aber wo?
    Ich hatte keine Bekannten auswärts; und ich wusste auch nichts von irgendwelchen Verwandten. Falls ich welche besaß, so hatte ich sie vergessen. Als ich Millie fragte, erfuhr ich, dass ich nie etwas von Verwandten erzählt hätte, wohl aber, dass ich als Waisenkind in einem Heim aufgewachsen war.
    Bevor ich in die Stadt gezogen war, hatten wir in einem Dorf nahe der französischen Grenze gewohnt. Warum nicht Frankreich? Ich beherrschte die Sprache gut genug, dass es auch für meinen Beruf reichte. Und mein Pass war in Ordnung, wenn der Beamte nicht allzu genau auf das Geburtsdatum sah. Ein wenig konnte ich mich ja nachschminken, ohne dass es sofort ins Auge stach. Ich hatte in letzter Zeit allerhand Übung darin bekommen.
    Ich studierte eine Karte und beschloss, einen Zug nach Paris zu nehmen. Allerdings wollte ich nicht nach Paris, sondern vorher an irgendeinem kleinen Ort aussteigen. Erst wollte ich mal ein Zimmer nehmen und Ferien machen. Nebenbei konnte ich mich umsehen.
    Aber nach einer. Weile erschien mir der Plan gar nicht mehr so günstig. Man würde eine Menge Papiere verlangen und überprüfen – genauer vielleicht, als mir lieb war. Außerdem war es durchaus nicht sicher, ob ich in Frankreich meinen Beruf ausüben konnte. Eine langwierige Umschulung auf das französische Recht stand mir auf jeden Fall bevor, und mein finanzielles Fettpolster hielt mich sicher nicht so lange über Wasser. Dazu kam noch das Warten auf die Aufenthaltsgenehmigung und die Arbeitsbewilligung. Nein – wenn ich schon vor einer unbekannten Vergangenheit weglief, dann wenigstens nicht so weit. Vielleicht wollte ich mich sogar ein wenig um diese Vergangenheit kümmern. Wenn ich nicht so weit fort ging, konnte ich sie im Auge behalten.
    Am Abend war ich noch immer unentschlossen. Ich fühlte, dass ich gar nicht fort wollte. Millie machte einen Versuch, mich zum Bleiben zu überreden, aber das machte mir erneut klar, wie notwendig es war, dass ich fort ging und ein neues Leben begann.
    Bei Anbruch der Dunkelheit läutete dann das Telefon.
    „Hallo, Partner?“
    Es war Franziska. Ihre Stimme klang angespannt.
    „Hallo“, erwiderte ich ohne Enthusiasmus. Ich sah ihr hübsches Gesicht in Gedanken vor mir und dachte, dass sie auch ein Grund zum Bleiben war.
    „Gott sei Dank, du bist zu Hause!“ sagte sie hastig. „Du mußt fort!“
    „Findest du nicht …“
    „Ja, ich weiß, dass das komisch klingt“, unterbrach sie mich, „aber die Situation ist es nicht. Kennst du das Jazzland?’’
    „Du meinst den neuen Jazzkeller am Kai?“
    „Ja, den. Komm her, so schnell du kannst!“
    „Was machst du im …“
    „Stell jetzt keine Fragen!“ Und eindringlich fügte sie hinzu: „Gerrie, dir bleibt nur noch wenig Zeit. Vater hat sich zwei üble Typen gedungen. Sie sind auf dem Weg zu dir. Bitte! Mach rasch!“
    Klick.
    Sie hatte eingehängt. Ich war nicht besonders mutig, und mir war auch klar, dass meine Chancen nicht besonders gut standen, wenn mich die Kerle erst in der Zange hatten. Geissler würde nicht vor einem neuen Mordversuch zurückschrecken. Er kam her, um das gründlich nachzuholen, was ihm beim ersten Mal nicht geglückt war. Sie würden mich umbringen.
    Ich sagte nichts zu Millie. Ihr würden sie nichts tun. Ich nahm den Koffer mit. Es würde sie schmerzen, dass ich ohne ein Wort des Abschieds aus dem Haus schlich, dafür aber umso echter wirken. Bevor ich die Wohnung verließ, bestellte ich ein Taxi, das mich zum Bahnhof bringen sollte. Dort wollte ich den Koffer in ein Schließfach geben, bevor ich zum Jazzland fuhr.
    Unsicher eilte ich durch das leere Stiegenhaus nach unten, wo ich einen wehmütigen Blick auf das Schild meiner Anwaltspraxis im Erdgeschoß warf. Im dunklen Hauseingang blieb ich stehen und blickte vorsichtig die Straße hinauf und hinab. Auf der nächtlich-stillen Straße war nichts Ungewöhnliches zu bemerken. Ich lief auf die andere Seite und verbarg mich in einem Torbogen. Dort stand ich ganze sechs Minuten, bis endlich die Lichter des Taxis auftauchten. Trotz meiner Erleichterung war ich vorsichtig und

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