0241 - Der Pesthügel von Shanghai
anderen. Quen aber atmete auf. Er steckte die Pistole weg und drehte sich um.
Genau in diesem Augenblick geschah das Malheur. Wie auch bei der Parteibude hatten die Mauern dieses Hauses dem wankenden Boden nicht standhalten können. Sie krachten zusammen.
Zuerst die Seite des Hauses, die der Straße zugewandt lag. Quen, der noch mit Grauen an die alte Frau dachte und dem auch sein Mitarbeiter wieder einfiel, schüttelte den Kopf. Es war eine hilflose Geste, die eigentlich alles ausdrückte.
Totale Leere, unfähig, noch großen Widerstand zu leisten. Er fand sich mit seinem Schicksal ab.
Langsam rutschte das Dach vor. Die Mauer war längst gefallen, und als Quen durch eine Lücke in der Staubwolke schauen konnte, da entdeckte der Agent die Frau.
Ob sie sich noch auf den Rand des Kamins hatte retten können, spielte nun keine Rolle mehr. Sie schien tot zu sein, denn die schreckliche, aus dem Boden aufragende Hand hielt mit ihren braunen Fingern die Kehle umklammert.
Das Dach krachte zusammen. Die Trümmer entzogen Quen den Blick auf das nächste Sumpfopfer.
Für einen Moment senkte er den Kopf. Depressionen wollten ihn überfallen. Sein glattes Gesicht verzog sich, als hätte er starke Schmerzen. Danach gab er sich einen innerlichen Ruck, die Gestalt des Mannes straffte sich, und er drehte den Kopf.
Quen schaute die Straße entlang. Er blickte in Richtung Dorfende.
Sinclair hatte von diesen Terrassen gesprochen. Dort konnten die Menschen hinfliehen.
Und sie waren bereits geflohen, auch ohne daß Quen es ihnen erst groß befohlen hatte.
Er sah sie, wie sie den Berg hochkletterten, denn dort, wo das Gelände so seltsam angelegt war, wurde auch Reis angebaut. Da befanden sich die großen Felder.
Männer, Frauen und Kinder hatten die Flucht ergriffen. Sie ließen ihre Habe im Stich, die der verdammte Mördersumpf ihnen nehmen würde. Die Pesthügel waren erbarmungslos. Sie würden den gesamten Ort fressen wie ein gewaltiges Ungeheuer.
Als zwei Bretter gegeneinanderschabten, wurde Quen aufmerksam. Er vernahm das Geräusch, drehte sich um und sah zu dem zuletzt zerstörten Haus hin.
Dort bewegte sich etwas.
Der Wind konnte es nicht sein, der die Bretter nicht ruhig liegenließ. Da geschah etwas anderes.
Quen lief eine Gänsehaut über den Rücken. Er ahnte schon, was sich dort abspielte und seinen Augen verborgen blieb.
Allerdings nicht mehr lange. Ein Brett wurde so zur Seite gedrückt, daß Quen freie Sicht bekam. Und er sah die verfluchte Hand, die das Brett umklammerte, es von sich schleuderte, damit nicht nur sie freie Bahn bekam, sondern auch das widerliche Monstrum aus der Tiefe des Pesthügel-Sumpfs.
Der Untote kam.
Er sah aus wie die anderen. Braun und knorrig. Eine aufgerissene Haut, in deren Mulden es grünlich schimmerte. Das Untier hatte einen Mord auf dem Gewissen, aber es dachte nicht daran, es darauf beruhen zu lassen.
Es wollte mehr!
Töten, alles mit in den verdammten Sumpf hineinziehen. So lautete seine Devise.
Und es kam.
Das Brett wurde zur Seite geschleudert. Jetzt gab es kein störendes Hindernis mehr, der Weg zu dem nächsten Opfer lag frei vor ihm. Quen lief es kalt den Rücken hinunter. Er hatte erlebt, wie wenig er mit Kugeln ausrichten konnte, trotzdem zog er seine Waffe, blieb auf der Straßenmitte stehen und feuerte.
Als der Schuß krachte und das Echo über die Straße rollte, da brach hinter ihm das nächste Haus zusammen.
Der Sumpf stoppte nicht.
Und auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite hielten die Mauern eines Gebäudes nicht mehr stand. Donnernd fiel ein Dach ineinander. Quen sah es, als er sich hastig umdrehte.
Er dachte auch an seinen Mitarbeiter.
Quen selbst hatte ihn losgeschickt, damit er die andere Seite kontrollieren konnte. Gehört hatte er bisher nichts von ihm.
Sollte sich Husan, so hieß der Mann, vielleicht übernommen haben? Während das Monster zielsicher über die Straße wanderte, drehte Quen den Kopf und schrie den Namen seines Mitarbeiters.
Laut hallte seine Stimme über die Straße, doch er bekam leider keine Antwort.
Abermals versuchte er es.
Und da hörte er die Schreie!
Kalt lief es ihm den Rücken hinab. Die Schreie waren schräg gegenüber aufgeklungen, und Quen rannte los. Zwei Häuser vor dem, das zuletzt eingestürzt war, riß er die alte Tür auf und schaute in den Bau.
Jetzt gellten die Schreie ihm entgegen, und seinen Augen bot sich ein grauenvolles Bild.
Bis zu den Hüften steckte Husan im Boden. Seine Hände aber
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