0241 - Der Pesthügel von Shanghai
hielt er hoch, denn er umklammerte mit allen zehn Fingern ein schreiendes kleines Kind…
***
Eigentlich hätte ich mit einem heimtückischen Angriff rechnen müssen. Daß er nun erfolgt war, überraschte mich nicht. Auch nicht die Kraft, die in der verdammten Klaue steckte. Der rechte Knöchel schien in einem Schraubstock zu stecken.
Ich sah Suko aus meiner Froschperspektive, und seine Bewegungen kamen mir gelassen vor, als er unter die Jacke griff und eine starke Waffe hervorholte.
Die Dämonenpeitsche!
Schweigend schlug er einen Kreis über den Boden, und die drei aus der Haut des Dämons Nyrana bestehenden Riemen rutschten hervor. Sie besaßen eine sehr starke schwarzmagische Kraft, wobei ich hoffte, daß sie auch stärker war als die Existenz dieser Sumpfmonstren.
Das Wesen benutzte mich auch als Stütze. Es griff nicht nur zu, es zog sich gleichzeitig mit seinem häßlichen Schädel und den Schultern aus dem Pesthügel hervor, wobei es mehrere alte Bohlen zur Seite drückte.
»Schlag doch zu!«
Suko hatte meine Worte gehört und grinste. »Sei doch nicht so voreilig«, erwiderte er. Den rechten Arm hatte er bereits erhoben, über sein Gesicht glitt ein Lächeln, die Augen waren starr auf das aus dem Boden kriechende Monstrum gerichtet.
Suko schlug mit der Routine eines Könners. Er drehte den kurzen Stiel der Peitsche dabei so, daß die Riemen dicht zusammenblieben und alle drei voll ins Zentrum trafen.
In Längsrichtung klatschten sie gegen den Schädel des Monstrums. Was die Kugel nicht geschafft hatte, das brachten die drei Riemen der Dämonenpeitsche fertig.
Sie zerhieben den Kopf!
Das Monstrum zuckte noch einmal in die Höhe. Zum erstenmal hörten wir auch ein Geräusch, denn bisher hatten wir das Gefühl gehabt, ein stummes Wesen vor uns zu haben.
Es war ein Stöhnen und gleichzeitig ein Knirschen. Das Stöhnen drang aus dem Maul, das Knirschen erklang deshalb, weil der Körper auseinanderbrach.
Auch der Griff löste sich von meinem Knöchel, und ich kam schnell auf die Füße.
Kaum stand ich, als ich die Geräusche vernahm.
Sie jaulten über den braunen Sumpf hinweg. Es waren klagende Laute, ein hohes Winseln und Greinen, und es drang aus zahlreichen Mäulern, denn wir erkannten plötzlich, daß sich mehrere Körper bis weit über die Hüften aus dem Boden des Pesthügels geschoben hatten und diesen Totengesang anstimmten.
Suko und ich waren fasziniert und abgestoßen. Dieses schaurige Geheul ging uns durch und durch. Wir schüttelten die Köpfe und wandten uns ab, um wieder ins Dorf zurückzugehen.
Hier oben auf dem Knüppeldamm waren wir zwar nicht hilflos, aber viel konnten wir auch nicht ausrichten. Die Gegner befanden sich in der Überzahl.
»Was jetzt?« fragte Suko. »Sollen wir sie im Dorf erwarten?«
»Bleibt uns wohl nichts anderes übrig«, erklärte ich. »Im Sumpf sind wir einfach unterlegen.«
»Und die Menschen?«
»Werden hoffentlich geflüchtet sein.«
Wir hatten inzwischen das Dorf wieder erreicht, blieben stehen und entdeckten die weiteren Verwüstungen.
Es sah schlimm aus.
Auf der rechten Seite waren nicht nur die Bauten mit den Raupenkulturen zusammengefallen, sondern auch Wohnhäuser. Die Mauern hatten den von unten her drückenden Kräften nicht standhalten können. Ein Weg der Trümmer begleitete den rasch wandernden Sumpf.
Seltsamerweise hatte sich die Straße noch gehalten, aber auch sie wurde in Mitleidenschaft gezogen. Suko und ich merkten es zur gleichen Zeit.
»Da stimmt doch etwas nicht«, sagte mein Partner und blieb stehen.
Auch ich verhielt meinen Schritt.
Wir traten hart gegen den Boden.
Er gab wenig Widerstand. Unsere Füße sanken sogar ein. Und dies deutete darauf hin, daß auch die Straße nicht mehr verschont wurde. Ihr Untergrund hatte bis jetzt noch gehalten. Nun aber verlangte der Sumpf sein Recht.
Wir mußten uns beeilen, sonst steckten wir noch fest und kamen nicht mehr los.
Ein paar Yards weiter konnten wir wieder besser laufen. Als wir uns umdrehten, da sahen wir auch, daß sich die Straße vor uns bewegte.
Ein Schuß ließ uns wieder herumfahren.
Nicht weit entfernt entdeckten wir Quen. Er hatte auf ein Monstrum erfolglos geschossen, rannte jetzt und sah uns nicht.
Das Monstrum blieb.
Konnte es durch geweihtes Silber zerstört werden? Bisher war ich nicht dazu gekommen, es auszuprobieren, ich zog meine Waffe und legte an.
Suko drückte meinen Arm nach unten. »Nein«, sagte er, »keine Munitionsverschwendung, wir machen
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