0242 - Werwolf-Terror in Soho
»Was hast du?«
»Wir sind nahe der Queen.«
»Und Luparo noch näher.«
»Ja, verdammt…«
***
Er war kein Mensch mehr, sondern ein Tier. Eine wilde Bestie.
Mordgierig, aber mit einer gewissen Raffinesse versehen, die seinen Trieb für eine bestimmte Zeit zügelte.
Der Wolf hatte sich von ihm getrennt, er war seinen eigenen Weg gegangen, während Lester del Roy den direkten nahm.
Er kannte sich im Palast so gut aus, als wäre er hier geboren worden. Jeder Stein war ihm bekannt, jeder Zoll der Gänge, und er wußte vor allen Dingen, wie er in die Nähe der Queen gelangen konnte.
Das war wichtig!
Von Lupina, seiner Herrin, hatte er den geistigen Befehl bekommen, sich in die nähe der Queen zu wagen. Da sie es momentan nicht schaffte, mußte er sich um die Königin kümmern, und nichts hätte er lieber getan. Er würde sie anfallen, sie sollte keine Chance bekommen, aber er wollte sie nicht töten, sondern aus ihr eine Dienerin machen.
Eine Königin sollte der anderen dienen. So hatte es Lupina in ihrem Plan vorgesehen, und so würde Lester del Roy ihn auch erfüllen.
Er gelangte in die große Säulenhalle. Still war es hier. Lester del Roy hatte es verstanden, sich bisher so zu bewegen, daß er von seinen ehemaligen Mitarbeitern nicht gesehen worden war. Und in der Halle gaben ihm die Säulen Deckung.
Hinter einer blieb er stehen.
Jetzt war er von der Gangseite her gedeckt, aber auch zu der großen Tür hin, die in die Privatgemächer der königlichen Familie führte. In dieser Halle empfing die Queen sehr oft Gäste. Heute aber war keiner der kostbaren Leuchter eingeschaltet. Nur die Notbeleuchtung brannte. Kleine, an den Wänden befestigte Lampen, die einen gelblich trüben Schein abgaben.
In der Halle existierte mehr Schatten als Licht. Und wo Schatten war, da fühlte sich der Werwolf wohl.
Plötzlich zuckte er zusammen. Er hatte entfernte Geräusche vernommen, zuerst ein Krachen und danach ein peitschendes Schwingen, wenn der Schuß ausrollte.
Lester del Roy verkrampfte sich. In dieser Haltung blieb er einige Sekunden, während sich hinter seiner Stirn die Gedanken jagten.
Was hatte das zu bedeuten? Wer feuerte da?
Eigentlich konnten es nur seine ehemaligen Kollegen sein, die geschossen hatten. Wahrscheinlich waren sie auf Lupina oder ihren Sohn gestoßen.
Da hörte er Schritte.
Hastige, rennende Schritte, die näherkamen, lauter wurden, und Echos von den Wänden zurückwarfen.
Auch Lester del Roy verließ seine Deckung.
In einem der Gänge sah er eine Gestalt.
Es war Dean Lancaster. Der Mann rannte keuchend. Noch hatte er del Roy nicht gesehen und befand sich innerhalb des Ganges. Dann aber betrat er den großen Saal, und nun zeigte sich auch del Roy.
Ein gewaltiger Sprung brachte ihn so weit in die Nähe des heraneilenden Dean Lancaster, daß der Mann praktisch über ihn stolpern mußte.
Lancaster sah den Werwolf, hörte das Fauchen und wußte augenblicklich Bescheid.
Sein Lauf war schwer zu stoppen. Er stand nicht sofort, torkelte weiter, prallte gegen eine Säule und hielt sich dort fest. Seine Blicke irrten zu der prächtigen, handgeschnitzten Holztür hin, hinter der die Gemächer der Queen lagen, und Lester del Roy wußte genau, was der andere vorhatte.
»Nein!« knurrte er, wobei seine Stimme kaum zu verstehen war.
»So nicht, mein Lieber. Da kommst du nicht rein, das schwöre ich dir!« Einen Schritt brauchte er nur, um dem anderen den Weg abzuschneiden.
Lancaster fielen fast die Augen aus den Höhlen. Er starrte die Bestie an und er wußte, daß er sie nur mit Waffengewalt aus dem Weg räumen konnte.
Dean zog seine Dienstpistole.
Es war eine Luger, sie alle trugen die Waffen, und bevor er schoß, knirschte er noch: »Aus dem Weg, Bestie! Los, verschwinde! Geh mir aus den Augen!«
Lester del Roy dachte nicht daran. Er wußte genau, daß im Magazin der Waffe nur Bleikugeln steckten, und die konnten ihm nichts anhaben.
Sollte der andere schießen!
Dean Lancaster zielte genau. Die breite, mit Fell bedeckte Brust seines ehemaligen Kollegen war überhaupt nicht zu verfehlen, er würde die Kugel hineinjagen und…
Dean Lancaster drückte ab.
Die Waffe ruckte nicht einmal in seiner Hand, so gut hielt er sie fest. Das Blei fauchte aus dem Lauf, und es hieb mit einem gewaltigen Schlag in die breite Brust der Bestie.
Der Werwolf riß die Arme hoch.
Sekundenlang durchzuckte Dean Lancaster ein Gefühl der Freude.
Hatte er es doch geschafft? Konnte er mit Blei diese Bestie
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