0243 - Die Schädelkette
Sie, schöne Frau und sonst nichts. Gibt es hier einen Raum, in dem wir ungestört sind?«
Die Stewardeß zuckte zusammen. Sie hatte schon des öfteren Angebote dieser Art bekommen, aber nie so brutal und direkt. Das war schon abstoßend.
Ihr Gesicht versteinerte, was den Milliardär zu einem satten Grinsen veranlaßte. »Denken Sie daran, wer ich bin. Ich kann Sie feuern lassen, Mädchen. Eine Bemerkung von mir, und die Fluggesellschaft schmeißt Sie raus.«
»Ja, das weiß ich.« Die Stewardeß nickte heftig. »Sie haben Macht, Sie haben Geld. Aber mich bekommen Sie nicht. Ich suche mir den Mann selbst aus, mit dem ich schlafen möchte, und wenn Sie mir eine Million bieten würden, ich pfeife darauf.«
Das war eine Abfuhr, die van Dyck noch nie in seinem Leben bekommen hatte. Seine Augen schienen plötzlich zu Eis zu werden, der Arm schnellte zur Seite, und die Fingerspitze wies auf die Frau. »Ich habe bisher immer bekommen, was ich haben wollte. Denken Sie nur nicht, daß die Sache vergessen ist. Ich kriege Sie noch.«
»Abwarten!«
Van Dyck lachte nur. Es war ein gefühlloses Lachen, und es versetzte die Stewardeß in Angst und Schrecken. Abrupt drehte sie sich um, doch van Dyck ließ sie nicht weit kommen.
»Bringen Sie mir einen Whisky«, sagte er.
Kein freundliches Wort, das die Frau erwiderte. Fast fluchtartig verließ sie die erste Klasse.
Der Mann aber grinste. Er hatte seine Fallen ausgelegt. Nun wollte er sie zuschnappen lassen. Automatisch dachte er wieder an die Kette. Konnte sie tatsächlich Menschen beeinflussen?
Die Stewardeß kam ihm da gerade recht. Sie hatte sich störrisch wie ein Esel angestellt. Van Dyck aber wollte versuchen, sie mit Hilfe der Kette »umzudrehen«.
Er bückte sich und stellte die Kombination des Koffers ein. Dieses Gepäckstück besaß eine besondere Sicherung, extra von Peter van Dyck erfunden.
In der ersten Klasse befanden sich nur wenige Passagiere. Van Dyck blieb unbeobachtet, als er den Deckel in die Höhe hob, seine Arme ausstreckte und die Kette mit beiden Händen berührte. Abermals durchströmte ihn ein seltsames Gefühl, als er die Totenschädel unter seinen Fingerkuppen spürte.
Diese beinernen Schädel strahlten etwas Seltsames aus. Eine kaum erklärbare Wärme, die sich auch auf ihn übertrug und seine Lippen zu einem Lächeln in die Breite zog.
Vorsichtig hob er die Kette aus dem Koffer und ließ sie über beide Handgelenke hängen. So hatte er Muße, sich die einzelnen Schädel genau anzusehen.
Prächtig, wie die Diamanten in den Augenhöhlen steckten. Eine fest zusammengefügte Masse, die funkelte und gleißte und seltsame Gedanken innerhalb der Schädel weiter an den Besitzer der Kette leitete.
Ohne es zu wollen, hörte van Dyck zu. Das Andere bekam einfach Macht über ihn, es konnte ihn manipulieren. So etwas war dem Milliardär auch noch nicht untergekommen.
Die Schädelkette redete mit ihm.
Es waren seltsame Sätze, die er hörte. Nicht laut, aber dennoch zu verstehen. In seinem Kopf hallten sie wider.
Da wurde etwas von Großen Alten gesagt, von einem schrecklichen Erbe der sechs Zauberpriester, deren Geist in den Schädeln weiterlebte, obwohl er Jahrtausende über verschüttet gewesen war.
Und er, Peter van Dyck war der Erbe!
›Wir geben dir die Macht der alten Zauberpriester‹, hörte er die Stimme.
›Du wirst sie in unserem Sinne weiterführen, damit die alten Rituale wieder aufleben.‹
Van Dyck befand sich wie in Trance. Er hörte zu, während seine Blicke starr in unendliche Fernen gerichtet waren. So etwas hatte er noch nie erlebt, und fast fürchtete er sich ein wenig vor dem Erbe, das er nun übernommen hatte.
›Wir werden dir dienen, so wie du uns dienen wirst. Wir werden dir Macht geben, aber es ist eine Macht, die man sich nicht kaufen kann. Man muß nur an das Böse glauben, und daran glaubst du ja. Ein Mann wie du hat nur einen Freund — den Teufel!‹ Als van Dyck das hörte, da lachte er auf. Ja, wie recht diese seltsamen Stimmen hatten. Er glaubte tatsächlich an den Teufel, an die Macht des Geldes, und beim Tanz um das goldene Kalb wäre er der erste und wildeste Tänzer gewesen.
»Ihr Whisky!«
Das war die Stimme der Stewardeß. Sie riß den Milliardär wie aus einem tiefen Traum. Sein Kopf ruckte in die Höhe, er klimperte mit den Augendeckeln und sah die Frau neben sich stehen.
Sie hielt ein Tablett in der Hand. Auf ihm stand ein Glas. Beides zitterte, denn ihre Augen waren starr auf die Kette
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