0244 - Der Eulenmann
anders…
***
Der Schwarze Druide war bemüht, jeden Unsicherheitsfaktor so weit wie möglich auszuschalten. Dieser Mann, der sich Philippe Lenoir nannte, trieb sich für seinen Geschmack ein wenig zu dicht in der Nähe seines Verstecks herum. Zudem spürte der Druide das geweihte Silber.
Und so kassierte er Lenoir der Einfachheit halber direkt ein. Er fesselte ihn so sorgfältig, daß der Mann sich aus eigener Kraft nicht wieder würde befreien können. Mit seiner Gefangennahme schlug er nebenbei auch noch zwei andere Fliegen mit derselben Klappe: er besaß für den Notfall eine Geisel als Druckmittel - und ein weiteres Opfer für die Eule.
Alle Vorbereitungen waren getroffen. Die beiden Leichen waren bereit für die Übernahme. Jetzt konnte die Eule kommen. Sie war am Zug.
Und der Druide begann zu warten.
Auf die Dunkelheit und die Eule.
***
Für diese Nacht mietete Zamorra ein Hotelzimmer in Nevers an und hoffte, Nicole würde dort Zurückbleiben. Aber wie üblich dachte sie gar nicht daran. Sie wollte in seiner Nähe sein, und er wußte, daß es keinen Zweck hatte, sie überreden zu wollen.
So saßen sie jetzt zu zweit am Loire-Ufer in der Dunkelheit und warteten. Wenn der Kampf beendet war, würden sie ins Hotel fahren und dort Ruhe finden. So hoffte es wenigstens Zamorra, und Kommissar DuBreuil, mit dem die nächtliche Aktion abgesprochen war, sicherte Zamorra zu, ihn erst am nächsten Tag mit Fragen bezüglich des Protokolls zu behelligen. Er wollte Zamorra ein gutes dutzend Beamter zuweisen, als Schutz und Rückendeckung. Aber Zamorra lehnte dankend, aber bestimmt ab.
Kämpfe dieser Art stand er lieber allein durch - oder in Gesellschaft seiner alten Kampfgefährten, die über die Mächte des Übersinnlichen so gut Bescheid wußten wie er selbst. Menschen, die erst staunten und dann zweifelnde Rückfragen stellen würden, konnte er nicht gebrauchen, wenn es hart auf hart ging. Die waren dann eher hinderlich. Und woher sollte die Polizei von Nevers auch Erfahrung in der Auseinandersetzung mit übersinnlichen Mächten gewonnen haben?
Das Amulett hing jetzt wieder offen vor dem Hemd, um leichter einsatzbereit zu sein, und der Blaster mit seinem leicht gerippten Lauf und der trichterförmigen Mündung, aus der ein stumpfer Dom ragte, steckte in der Jackentasche.
»Du solltest am besten im Wagen bleiben«, murmelte Zamorra. »Da bist du sicherer.«
Nicole zuckte mit den Schultern. »So sicher wie der Mann mit seinem Auto im Straßengraben, von dem du erzähltest? Und ich kann mich selbst erinnern, daß mich so ein Tiefflieger im fahrenden Wagen angriff.«
Zamorra sah wieder zum Nachthimmel hinauf. Er hoffte, daß sich das Warten nicht zu lange hinzog. Es war zwar nicht kalt, aber kühl, und Nacken und Brustkorb schmerzten wieder. Ob der Eulenmann ahnte, daß Zamorra ihn vernichten würde?
Zamorra war sicher, daß er diesmal schnell genug war. Noch einmal sollte die Bestie ihm nicht in einem aufzuckenden Blitz entkommen. Und während er wartete, fragte er sich, woran ihn dieses Phänomen erinnerte. Da war doch etwas, das eine ganz ähnliche Erscheinung verursachte…
Aber was mochte es sein?
***
Zu diesem Zeitpunkt wurde Philippe Lenoir Zeuge eines erschreckenden Geschehens.
Schon seit ein paar Stunden war er wach. Vergeblich versuchte er, die Fesseln zu lösen. Der dunkel gekleidete Mann mit den grün leuchtenden Augen ließ ihn gewähren und kicherte bisweilen leise, als wisse er genau, daß die Fesseln unzerreißbar waren. Lenoir versuchte mehrmals, mit ihm zu sprechen, aber der Schwarze antwortete ihm nicht.
Lenoir entgingen auch nicht die beiden Leichen in der anderen Ecke der Höhle. An der Gestalt schon erkannte er Frances; der Kleidung hätte es dazu nicht einmal bedurft. In dem Moment, als er sie sah, starb endgültig etwas in ihm. Er fühlte und empfand nichts mehr. Er war nur noch eine Art menschlicher Roboter, erfüllt von dem unbeugsamen Willen, Frances zu rächen, um jeden Preis.
Ein wenig wunderte ihn, daß dieser Zamorra nicht auftauchte, aber er nahm es einfach zur Kenntnis. Die verworrenen Fäden würden sich schon zu einem Muster zusammenspinnen.
Draußen wurde es dunkel. Im Innern der Höhle herrschte ein eigenartiges Licht, von dem Philippe nicht wußte, woher es kam. Es gab keine Kerze, keine Lampe, kein Feuer. Die Luft selbst schien matt zu leuchten, und es gab seltsamerweise auch keine Schatten.
Plötzlich erschien eine mächtige Gestalt im Höhleneingang.
Lenoirs
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