0244 - Der Eulenmann
Mensch - mit all den Vor-und Nachteilen, die das Menschsein so mit sich bringt.
»Du wilslt also nicht reden«, zischte Lenoir. »Nun gut. Ich finde ihn auch ohne dich. Er wird zu mir kommen müssen - denn er wird dich rächen wollen.«
Blitzschnell zielte Philippe Lenoir und drückte ab.
Zu spät erkannte Zamorra, daß dies seine letzte Sekunde war. Die Feuerlanze zuckte aus der Gewehrmündung direkt auf ihn zu.
Und dann kam der Einschlag der Silberkugel. Mitten in Zamorras Brust.
***
Ein paar von den Anwohnern der Stadtrandhäuser waren so schlau gewesen, die Polizei zu alarmieren, als sie zwei Autos am Straßenrand stehen und eine junge Frau auf der Straße daneben liegen sahen. Deshalb traf Jacques ein, als die uniformierten Kollegen schon vor Ort waren. Ein Krankenwagen rollte ebenfalls an, bloß wurde der nicht mehr gebraucht. Nicole weigerte sich strikt, das Fahrzeug zu betreten, um sich im Krankenhaus ärztlich versorgen zu lassen.
»An dem blauen Fleck sterbe ich nicht!« behauptete sie standhaft. Ubertiebene Fürsorge hatte sie noch nie leiden können. Dafür konnte sie den Polizisten eine genaue Beschreibung des mit einem Gewehr bewaffneten Täters geben.
»Also doch«, brummte Jacques laut, schob sich durch die Menge und stellte sich vor. »Tut mir leid, ich hoffte, es noch verhindern zu können… dieser Philippe Lenoir muß durchgedreht sein. Er hat den Tod seiner Freundin nicht verkraftet und gibt nun ausgerechnet Professor Zamorra die Schuld.«
»Bleibt das Problem, wo wir sie finden. Aber wenn er Zamorra töten will, hätte er das doch einfacher haben können«, stellte Nicole fest.
Jaques schnipste mit den Fingern. »Wir lassen nach Lenoir fahnden. Ich glaube kaum, daß er in der Stadt geblieben ist. Er ist ein typischer Dorfmensch, der hier in Nevers nichts und niemanden kennt, außer ein paar Geschäfte, in denen man das kauft, was es in St. Eloi nicht gibt.«
»So gut kennen Sie ihn?« wunderte sich Nicole.
»DuBreuil kennt ihn, und wir haben uns heute nacht ausgiebig über ihn unterhalten.«
Nicole ließ sich in ihrem Wagen nieder. Sie begann zu überlegen, ob es nicht eine schnellere und einfachere Möglichkeit gab, Zamorra und Lenoir aufzuspüren, als eine Fahndung, die viel Zeit und viel Geld kostete. Sie versuchte sich in Lenoir hinein zu versetzen. Wohin würde er Zamorra bringen?
Magie, Dämonismus waren im Spiel. Irgendein markanter Punkt, der eine bestimmte mystisch-magische Bedeutung hatte… sie fragte Jacques danach, der an der offenen Tür ihres Cadillac lehnte.
»Keine Ahnung, ob es so etwas hier gibt…«
Nicole preßte die Lippen zusammen. »Erdhöhlen, Felslöcher, Waldlichtungen, alte Kreuzwege…«
»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Jacques. Ein dumpfes Gefühl der Unsicherheit beschlich ihn. Immerhin wußte er inzwischen, wie eng Zamorra und Nicole zusammengehörten, und jenes Ding, das in der Nacht auf dem Hof kämpfte, gehörte nicht unbedingt in jene Kategorie Lebewesen, die Jacques vorbehaltlos als Mensch einstufte…
»Können Sie Kommissar DuBreuil fragen, wohin sich Lenoir seiner Ansicht nach bewegen würde?«
Einer der Polizisten, die noch zurückgeblieben waren, während der Haupttroß sich schon wieder entfernte, schnipste plötzlich mit den Fingern. »Da ist doch so eine Flußbiegung«, sagte er. »Nein, Quatsch. Zwischen den beiden Biegungen, unten von Cos Ry aus erreichbar, ist doch das Sperrgebiet. Vielleicht ist er dort hinein gesaust, weil er glaubt, daß niemand damit rechnet.«
»Meinen Sie, daß er um so viele Ecken denken kann?« fragte Jacques etwas spöttisch. »Immerhin ist er seit dem Tod seiner Freundin da oben nicht mehr ganz dicht.« Er tippte sich mit dem Finger an die Schläfe.
»Gerade Verrückte denken manchmal entweder besonders geradlinig oder besonders verdreht«, sagte Nicole. »Kommen Sie, Jacques, zeigen Sie mir den Weg. Ich bin sicher, das muß es sein. Ein Sperrgebiet, steigen Sie ein!«
Jaques wurde völlig überrumpelt. Noch ehe er begriff, wie ihm geschah, saß er schon auf dem Beifahrersitz des Cadillacs, und der große Wagen rollte an. »Wohin, Jacques?«
»Sie müssen verrückt sein«, murmelte Jaques. »Das Sperrgebiet…«
»Wenn man einen Verrückten verfolgt, muß man auch verrückt denken«, belehrte Nicole ihn. »Wohin also?«
»Erst mal bis zur großen Hauptkreuzung in die Stadt hinein. Sagen Sie, Mademoiselle - haben Sie überhaupt den Motor eingeschaltet. Man hört ja nichts…«
Nicole lachte
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