0244 - Der Eulenmann
zurück. Nach Nevers mußte er ohnehin, weil er die Loire zu überqueren hatte. Und sie zu durchschwimmen, traute er sich nicht zu.
Ein beachtlicher Marsch lag vor ihm.
Entschlossen setzte er sich in Bewegung.
Plötzlich sah er Bewegung.
Da stand ein schwarz gekleideter Mann mitten im Gelände und sah ihn schweigend an. Philippe hatte ihn noch nie gesehen. Der Fremde beobachtete ihn aus seltsam funkelnden Augen. Selbst über die Entfernung von mehr als hundert Metern konnte Philippe die Augen erkennen.
Unwillkürlich schritt er schneller aus. Der Schwarze flößte ihm Unbehagen ein. Woher war er so schnell gekommen?
Was tat er hier mitten in der freien Landschaft? Gehörte er etwa zu Zamorra? War dies das mordende Ungeheuer? Machten sie jetzt zu zweit Jagd auf ihn, Philippe, weil er mit seinem Wissen eine Gefahr für sie darstellte?
Als er wieder hinsah, war der Mann verschwunden.
Keine Minute später sah er ihn erneut. Er stand jetzt direkt geradeaus, etwas fünfzig Meter vor ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah Philippe aus seinen grün funkelnden Augen entgegen.
»Wer sind Sie?« schrie Philippe und nahm das Gewehr hoch.
Der Unheimliche schwieg.
»Antworten Sie!« schrie Philippe.
Da bewegte sich der Mann. Er machte einen Schritt vorwärts.
Philippe schoß. Es war ein Reflex, den er nicht mehr beherrschen konnte. Aber noch während er abdrückte, wußte er, daß er nicht traf. Aus der Bewegung heraus verschwand der Schwarzgekleidete wie ein Phantom.
Die Kugel jagte ins Leere.
Da spürte Philippe den heftigen Luftzug hinter sich. Er ließ sich nach vom fallen, und ein harter Schlag streifte seine Schulter. Er prallte auf den Boden, rollte sich herum und sah den Schwarzen, der sich auf ihn warf. Das Gesicht war merkwürdig schmal, und die grünen Augen leuchteten wie Feuer. Ein kräftiger Schlag nahm Philippe die Besinnung.
Der Mann mit den grünen Augen zerrte ihn vom Boden hoch, nahm auch das Gewehr hoch und machte mit seiner Last einen Schritt nach vom.
Im gleichen Moment schien es, als sei niemand hier gewesen. Der Schwarze Druide und sein Opfer waren fort.
***
Die Umzäunung des Sperrgebietes war nirgendwo beschädigt, und auch der Silbergraue stand nirgendwo geparkt. Allmählich begann Nicole zu glauben, daß sie mit ihrem Verdacht auf dem falschen Dampfer saß, als aus einer schmalen Seitenstraße der Opel Senator in spitzem Winkel auf die Hauptstraße und das Ende der Sperrzone zurollte. Die Lichthupe flammte ein paarmal auf.
Wenig später unterhielten sie sich und beratschlagten über das, was sie nun tun konnten.
»Lenoir irrt jetzt irgendwo da draußen im Gelände herum«, sagte Zamorra. »Im Moment ist er für uns keine Bedrohung. Gefährlich wird es erst, wenn er wieder mobil wird. Aber noch gefährlicher ist, daß ich nicht weiß, wie wir an unseren Gegner herankommen sollen.«
»Kannst du nicht versuchen, ihn anzupeilen?« fragte Nicole, während Jacques mit leichtem Unglauben zuhörte.
»Es ist ein Druide«, sagte Zamorra. »Zwar ein Schwarzer, aber immerhin… das Amulett spricht doch auf seine Kräfte nicht an. Es wehrt sie nur ab, wenn wir selbst angegriffen werden. Wir haben das doch alles damals mit den Ratten und dem Dämonenschatz erlebt.« [2]
Nicole zuckte mit den Schultern. »Das heißt also, wir müssen abwarten, bis das Ungeheuer wieder zuschlägt.«
Zamorra nickte. »Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe«, gestand er.
»Hören Sie, Monsieur«, fuhr Jacques auf. »Wir können doch nicht zulassen, daß weitere Menschen ermordet werden! Wir…«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Das werden wir auch nicht zulassen«, sagte er. »Denn ich werde den Lockvogel spielen, den Köder. Ich werde mich diesem Eulenmann, oder wer auch immer dahinter steckt, selbst anbieten. Und diesmal werde ich erheblich besser vorbereitet sein als in der letzten Nacht.«
»Und Sie meinen, daß das klappt?« zweifelte Jacques. »Was ist, wenn der Mörder nicht Sie, sondern irgendwen sonst findet?«
»Ich bin sicher, er findet mich. Er wollte mich schon in dieser Nacht ausschalten und verfolgte meine Spur bis in den Gasthof. Er wird mich auch in dieser Nacht finden… und dann geht es eben rund !«
»Wir haben doch ohnehin keine andere Wahl«, warf Nicole ein. »Oder wissen Sie, Jacques, oder Kommissar DuBreuil eine Möglichkeit, den Druiden vorher zu erwischen und unschädlich zu machen?«
Jacques zuckte die Schultern.
Zamorra und Nicole hatten recht. Es ging nicht
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