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025 - Die Spinne

025 - Die Spinne

Titel: 025 - Die Spinne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurice Limat
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jener Lianen aus dem Regenwald, wo sie das Licht der Welt erblickt hatte, wirkte wie aus edlem Marmor gehauen. Ihre zarte, goldbraune Hautfarbe hob sich wunderbar von den weißen Leintüchern ab.
    Unbeweglich, den Kopf an das Kissen gelehnt, verfolgte sie mit gespannter Aufmerksamkeit, was zwei Meter vom Bett entfernt vor sich ging. Ein Drama im Kleinen, grausam und gespenstisch, wie es sich jeden Tag um die gleiche Stunde, zur Atzung der Vogelspinne, ereignete.
    Neben ihr lag Jose. Er war im Schlafanzug und rauchte unaufhörlich. In sein Gesicht hatten sich scharfe Falten gegraben, und auf seiner Stirn standen Schweißtropfen.
    Er war ihr jetzt völlig hörig. Er wusste, dass er sich selbst zerstörte. Seit mehreren Tagen schon war der junge Forscher in der abgelegenen, schlecht geheizten Villa eingeschlossen, in die die Feuchtigkeit vorn Meer her eindrang, und spürte genau, dass er nicht nur seine Laufbahn, sondern auch sein Leben aufs Spiel setzte.
    Und sein Glück.
    Ab und zu tauchte Silvias liebes Gesicht vor ihm auf. Voller Qual suchte er dann Vergessen in Elnas wilder Umarmung.
    Es wollte ihm nicht so recht gelingen, seine Gedanken zum Schweigen zu bringen. So nahm er jetzt auch seine Zuflucht zu Tabak und Alkohol, um seine Ängste zu ertränken, die aus tiefsten Abgründen nach ihm zu greifen schienen.
    Immerhin meinte er, in dieser kalten Nacht, in einem Haus, das für die Freuden des Sommers bestimmt war, einen seltsamen Zauber zu finden.
    Weil Elna da war.
    Und mit ihr die Spinne. Sie waren nicht voneinander zu trennen, nachdem das Mädchen übers weite Meer der Spinne nachgereist war, ohne die sie offenbar kein vollständiges Wesen mehr sein konnte.
    Plötzlich aus den Regenwäldern, die ihre Heimat waren, in die Zivilisation geworfen, klammerte sie sich an Jose. Ihr Atavismus, ihre Vertrautheit mit dem Woodookult, ihre fordernde, überschäumende Leidenschaft, all das trug dazu bei, dem jungen Mann die Augen zu öffnen.
    Aber es war zu spät. Er machte sich nichts vor. Er war Elna verfallen, oder der Vogelspinne. Er wusste es selbst nicht mehr.
    Jetzt blickte auch er gebannt auf den Käfig, in dem sich die Spinne zu regen begann.
    „Schau her“, flüsterte Elna und entblößte beim Lächeln ihre schönen Raubtierzähne. „Sie kennt die Stunde. Sie ruft uns. Wir müssen sie zufrieden stellen.“
    Mit sichtlicher Anstrengung erhob sich Jose. Das eintönige, nur der Lust gewidmete Leben, das er derzeit führte, höhlte ihn vollständig aus. Er war wie benommen. Allmählich empfand er Ekel vor sich selbst.
    Aber er war nicht in der Lage, das Joch abzuwerfen. Er hatte das Gefühl, in einem gewaltigen Netz gefangen zu sein, das die beiden, Elna und die Lasiodora, gewirkt hatten.
    Er war furchtbar, ein Mann zu sein und sich in den schlüpfrigen Schlingen der Wollust und des Grauens gefangen zu wissen.
    „Geh, hole die Falle. Es muss eine drin sein.“
    Jose zog sich die Sandalen an und ging matt aus dem Schlafzimmer. Elna blieb zurück, herrlich und beängstigend in ihrer zu vollkommenen Nacktheit. Ihre Augen auf die Spinne geheftet, sprach sie nun leise auf sie ein. Es waren jene geheimnisvollen Worte, welche sie die Medizinmänner des Regenwaldes gelehrt hatten. Damals, als sie sich als ganz kleines Mädchen insgeheim auf mystische Weise mit den tierischen und pflanzlichen Ungeheuern verbunden hatte, die es an den Ufern der Karibischen See in Hülle und Fülle gibt. Der Ursprung der Zaubersprüche verlor sich in der Nacht der Zeiten, ihre Wirkung aber unterlag für Elna keinem Zweifel.
    Ein paar Augenblicke später kam Jose zurück.
    In der Hand trug er eine Mausefalle. Nicht eine Schnappfalle, die das Tier tötet, sondern eine Reuse.
    Eben jenes Netz, das ein paar Tage zuvor bei Leo gestohlen wurde, weil es keine zu kaufen gab.
    Erschreckt rannte darin ein Mäuschen hin und her und versuchte vergeblich zu entkommen.
    Die Lasiodora begann sich zu regen. Ein grausames Lächeln glitt über Elnas Züge.
    „Wir brauchen Musik“, forderte die Mulattin.
    Jose stellte die Reuse ab und führte den Befehl willenlos aus.
    Er war wie ohne Rückgrat. Passiv, wie im Trancezustand, durchlebte er das Abenteuer, das Elna hieß, oder Lasiodora. Wusste er es denn noch? Vielleicht empfand er eine dumpfe Lust dabei, dass sie ihn auf diese Weise beherrschten. Er hatte das Gefühl, sich vom Leben loszulösen, ein Empfinden, das dem eines Süchtigen im Drogenrausch gleichkam. Der Zwang lastete auf ihm. Er führte nur noch

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