025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus
Faustus. Aber mich könnt Ihr nicht täuschen. Ich bin einer Eurer ehemaligen Schüler. Euch schickt der Himmel!«
Das Gesicht des Dr. Faust überschattete sich. »Wenn Ihr mich kennt, dann werdet Ihr auch wissen, daß ich mit dem Teufel im Bunde stehe.«
»Das sagt man Euch nach, aber ich weiß, daß Ihr ihm entsagt habt. Denn wenn Ihr die Heiligen anrufen könnt, müßt Ihr im Geiste rein sein.«
Dr. Johannes Faustus war schon zu Lebzeiten eine Legende. Den meisten Erzählungen zufolge sollte er 1490 in dem Dorf Sondwedel in der Grafschaft Anhalt geboren worden sein. Andere wieder erzählten, daß er bereits zehn Jahre früher, also im Jahre 1480, zur Welt gekommen wäre. Und abwechselnd wurden als Geburtsorte Roda bei Jena im Weimarischen, Salzwedel im Anhaltischen – womit auch das vorher genannte Sondwedel gemeint sein konnte – und Knittlingen bei Maulbronn im Württembergischen genannt.
Und was sagte Dr. Faust selbst dazu? Er schwieg nur und lächelte auf seine geheimnisvolle Art.
Als rechter Abenteurer war er selbst am meisten bestrebt, seine Herkunft zu verwischen. Er zog durch viele Städte und Landschaften, bezeichnete sich mal als Johannes, dann wieder Georg oder auch als Faustus Junior. Er widersprach auch nicht, wenn man ihn zum Sohn des Humanisten Publius Faustus erklärte, welcher in Paris tätig gewesen war und schon vor fünfzehn Jahren, 1517, starb. Er erregte sich nur, wenn man ihn als Scharlatan, Chiromanten – wenn es abfällig gemeint war – und Gaukler bezeichnete. Da war es ihm schon lieber, wenn man ihm vorhielt, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Das bestätigte er gern, und er erzählte jedem, der es hören wollte, wie er den Fürst der Finsternis angerufen hat und diesen derart überlistete, daß er ihm den Menschendiener Mephistopheles schickte.
Aber Fausts eigene Aussagen darüber, wie er den Teufel anrief, widersprachen sich von Mal zu Mal, so daß auch diese authentischen Berichte sehr an Glaubwürdigkeit einbüßten.
Faust gefiel sich einfach darin, die Welt zum Narren zu halten. Wohin er kam, wurde er mit hohen Ehren bedacht, weltliche Herrscher und der Klerus sahen zu ihm auf. Aber früher oder später wandten sich die meisten wieder von ihm ab, weil er hartnäckig dabei blieb, einen Pakt mit dem Teufel eingegangen zu sein. Und so sagte man sich allerorten, ein Diener des Teufels mußte böse sein wie der Höllenfürst selbst oder gar noch übler.
Was mochte Faust dazu getrieben haben, selbst seine Gönner vor den Kopf zu stoßen, so daß sie ihn irgendwann wieder fallenließen, nichts mehr von ihm wissen wollten oder sich einfach nicht getrauten, die Freundschaft zu ihm öffentlich zu bekennen?
Als er im Jahre 1513 die Erlaubnis erhielt, auf der Universität zu Erfurt Kollegien über Homer abzuhalten, da rissen sich die Studenten darum, einen Platz in seinem Auditorium zu bekommen. Doch wie dankte Faust es ihnen? Er machte aus den Vorlesungen spiritistische Sitzungen. Er begann aufs lebhafteste die trojanischen und hellenischen Heldengestalten zu beschreiben, bis sie den Studenten im abgedunkelten Hörsaal erschienen. Zuerst herrschte tiefe Stille und ehrfurchtsvolle Ergriffenheit unter den Studenten. Doch als der einäugige Riese Polyphem auftauchte, da bebte die Aula. Und als der Einäugige aus dem Geschlecht der Zyklopen zudem noch die Studenten bedrohte, sich anschickte, riesige Felsbrocken auf sie zu schleudern, da gerieten sie in Panik und stürmten in wilder Flucht aus der Universität.
Daraufhin schaltete sich der Rektor Magnificus ein. Er bat den Franziskaner-Verweser Dr. Kling, sich Faustens anzunehmen, was auch geschah. Der Franziskaner-Verweser versuchte, Dr. Faust in ausgedehnten Gesprächen zu bekehren, er wollte sogar Messen lesen lassen, um den Teufel aus ihm auszutreiben, doch das paßte Faust überhaupt nicht. Alles wollte er mit sich geschehen lassen, nur keinen Exorzismus. Da er sich weigerte, sich eindeutig zum Christentum zu bekennen, ließ ihn der Rat kurz entschlossen aus der Stadt weisen.
Und Fausts Neider und Feinde konnten wieder einmal triumphieren – wie schon so oft vorher und noch viel mehr später.
Die Geschichte über das Erscheinen der homerschen Heldengestalten in der Aula der Erfurter Universität erinnerte Speyer sehr an sein eigenes Erlebnis, als Faust in seiner Wut ihn und weitere Studenten gegen Ungeheuer kämpfen ließ. Augenzeugen bestätigten, daß es solche Ungeheuer überhaupt nicht gegeben hätte. Alles mußte nur
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