025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus
Einbildung gewesen sein. Für Speyer selbst war die Bedrohung durch die Ungeheuer aber äußerst real gewesen.
Ähnliches trug sich ja auch in der Kneipe in Haßfurt zu. Die Gäste – und auch Speyer – hatten mit eigenen Augen gesehen, wie Faust sein Bein verspeiste. Jetzt, als er mit Speyer und dem volltrunkenen Prinzipal auf sein Zimmer ging, hatte er wieder beide Beine; und sie waren gesund, als wäre nie etwas damit geschehen.
Speyer kam zu dem Schluß, daß Dr. Faust, welche Fähigkeiten er auch sonst noch haben konnte, auf jeden Fall den menschlichen Geist dahin beeinflussen konnte, Dinge zu sehen, die es nicht gab; und zwar waren diese Visionen so real, daß man sie im Augenblick des Erlebens unbedingt für Wirklichkeit hielt.
Auf Fausts Zimmer angekommen, erzählte Speyer ihm von den Vorgängen in diesem Ort und von dem Einfluß der Dämonen-Drillinge. Faust war ein guter Zuhörer. Er unterbrach Speyer kein einziges Mal; auch dann nicht, als Speyer, von dem Goldenen Drudenfuß auf sein eigenes Schicksal überleitend, ihm von seinen früheren Leben erzählte. Speyer ging sogar so weit, Faust mit sich selbst zu vergleichen. Waren sie nicht schon allein deswegen Verbündete, weil sie beide einen Pakt mit dem Fürst der Finsternis geschlossen, es aber geschafft hatten, sich ein Hintertürchen offenzuhalten?
Er, Speyer, hatte von Asmodi das ewige Leben erhalten; seine Seele wanderte von Körper zu Körper – aber ohne daß er deswegen zu einem Diener des Bösen geworden war; ganz im Gegenteil: Sein Haß gegen die Dämonen war durch diesen Pakt nur noch größer geworden, und er bekämpfte die Schwarze Familie mit einer solchen Leidenschaft, wie kein normaler Sterblicher.
Und war es mit Dr. Faust nicht das gleiche? Er hatte mit Mephistopheles von Asmodi einen sklavisch ergebenen Diener bekommen, der ihm alle seine Wünsche erfüllen mußte. Aber Faust war dadurch nicht nur Inkarnation des Bösen geworden, sondern er hatte die Schwarze Magie so meisterlich im Griff, daß er sein eigener Herr blieb.
Freilich, man konnte Faust auch nicht als das absolut Gute hinstellen; dafür war er ein zu vielschichtiger Charakter; aber er hatte die Kraft, nach seinem eigenen Gutdünken zu leben, ohne sich dem Diktat Asmodis unterwerfen zu müssen. So konnte Faust seine Macht auch dazu verwenden, Dämonen zu bekämpfen.
»Helft mir, die Dämonen-Drillinge zu vernichten!« bat Speyer.
»Ihr habt mich tief beeindruckt«, sagte Faust, aber er ließ sich vorerst keine Zusage entlocken.
Er stand in der Mitte seiner Stube, trug immer noch seine Kutte und hatte auch nicht den Gelehrtenhut abgelegt. Seine großen Augen, die von einem ungewöhnlich hellen Blau waren, starrten ausdruckslos ins Leere.
»Aber glaubt Ihr mir auch?« fragte Speyer unsicher. »Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, daß ich die volle Wahrheit gesagt habe. So unglaublich es auch klingen mag, daß mir Asmodi die Unsterblichkeit gab – Ihr seid doch kein Zweifler, sondern ein Magier, der die Geheimnisse zwischen Himmel und Erde kennt. Und Ihr habt ähnliche Erfahrungen mit dem Fürst der Finsternis gemacht wie ich.«
Jetzt lächelte der etwas untersetzte Mann leicht und zwirbelte seinen zottigen Oberlippenbart, der ihm das Aussehen eines Katers gab.
»Nur mit dem Unterschied, mein junger Freund«, meinte er ohne sonderliches Bedauern, »daß meine Seele nicht unsterblich ist, sondern Eigentum Asmodis. In einigen Jahren, wenn meine Frist abgelaufen ist, wird er sie sich holen. Grund genug, ihm vorher noch ausgiebig auf die Finger zu klopfen.«
Speyer fiel ein Stein vom Herzen. Fausts Ausspruch konnte nichts anderes bedeuten, als daß er ihn für seine Sache gewonnen hatte.
»Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll, Dr. Faust!« rief er voll Überschwang aus. »Ich weiß, daß wir zusammen die Dämonen-Drillinge zur Strecke bringen werden, auch ohne im Besitz des Drudenfußes zu sein.«
»Sachte, sachte!« beschwichtigte Faust ihn. »Ich habe noch nichts versprochen. Bevor ich eine bindende Zusage mache, muß ich noch weitere Einzelheiten in Erfahrung bringen. Aber ich muß zugeben, die Sache reizt mich.«
Faust wandte sich dem Prinzipal zu, den sie auf eine Bank gelegt hatten, wo er, laut schnarchend, seinen Rausch ausschlief. Manchmal zuckten seine Glieder, und er grunzte, als träumte er immer noch davon, ein Schwein zu sein.
Faust rümpfte die Nase, ging zu ihm und hob eines seiner Lider hoch. Dann blickte er einige Atemzüge lang fest
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