025 - Die toten Augen von London
machte, sich heimlich zu empfehlen oder wenigstens die Anwesenden zu beobachten. Endlich war die Zeremonie beendet, die Orgel rauschte triumphierend auf, Braut und Bräutigam schritten als erste feierlich durch den Mittelgang hinaus.
Fred schloß sich der Prozession an. Er überlegte, ob es ratsam wäre, an dem nun folgenden Empfang teilzunehmen - wo er stattfand, hatte er längst ausfindig gemacht -, da berührte jemand seinen Arm. Fred fuhr herum.
»Hallo, Doktor Judd«, rief er erleichtert, »ich dachte schon, es wäre wieder der verfluchte Holt!«
Dr. Judd, eine imposante Figur in seiner zeremoniellen Aufmachung, sah ihn streng an.
»Sie haben mir doch erzählt, daß Sie nach Nizza fahren?«
»Ich habe den Zug verpaßt«, erzählte Fred fließend, »und mein Freund mußte ohne mich abfahren. Nun will ich mich noch ein paar Tage in London umsehen, bevor ich abreise.« Dr. Judd machte eine auffordernde Handbewegung.
»Kommen Sie ein paar Schritte mit - ich möchte einiges mit Ihnen besprechen.«
Sie gingen über den Hannover Square und bogen in die Bond Street ein.
»Sie fallen mir auf die Nerven, Mr. Grogan«, begann Dr. Judd. »Bis jetzt konnte mich wenigstens der Gedanke etwas beruhigen, daß Sie auf dem Kontinent Kopf und Kragen riskieren. Doch nun treiben Sie sich in London herum!«
»Wußten Sie, daß ich noch hier bin?«
»Ich hörte es. Passen Sie jetzt auf, Mr. Grogan. Halten Sie es nicht auch für besser, wenn wir zu einem Schluß kommen, uns irgendwie einigen?« Fred war ganz Ohr.
»In welcher Weise?« fragte er vorsichtig.
»Nehmen wir an«, sagte Dr. Judd, »ich zahle Ihnen eine Pauschalsumme unter der Bedingung, daß Sie mich nicht weiter belästigen.«
Nichts konnte besser zu Freds Plänen passen. Angenommen, die Summe wäre wirklich beträchtlich, dann könnte er sich Unannehmlichkeiten und neue Schwindeleien ersparen.
»Einverstanden«, erwiderte er nach längerer diplomatischer Pause.
Dr. Judd sah ihn an.
»Aber Sie müssen Ihr Wort halten. Ich habe nicht die Ab sicht, zwölf tausend Pfund loszuwerden ...«
»Zwölftausend Pfund!« unterbrach Fred. »Warum nicht, das ist eine hübsche, runde Summe.«
»Doch merken Sie sich eines - ich habe nicht die geringste Lust, eine derartige Summe zu zahlen, wenn ich nicht die absolute Sicherheit habe, von Ihnen nie wieder belästigt zu werden. Wollen Sie morgen abend acht Uhr bei mir in Chelsea essen? Es werden noch einige andere Gäste da sein, doch niemand kennt sie. Ich muß Sie allerdings bitten, keine der Bekanntschaften, die Sie morgen abend machen werden, für zukünftige Fischzüge vorzumerken.«
Fred verwahrte sich entrüstet gegen solche Unterstellungen, doch der Doktor verabschiedete sich kurz und ließ ihn an der Ecke Bond Street stehen.
Zwölftausend Pfund! Fred wandelte wie auf Wolken, als er die Bond Street in Richtung Picadilly hinunterschlenderte.
Auf der anderen Straßenseite ging ein hübsches Mädchen, das es ihm antat. Er beschleunigte seine Schritte, kreuzte die Straße und blieb dicht hinter ihr. Sein eleganter Aufzug kam ihm zustatten. Siegesgewiß überholte er die junge Dame, lüftete lächelnd den Zylinder, bemerkte ihren interessierten, fragenden Blick - doch nun beging er den Fehler, die abgedroschene Phrase von sich zu geben:
»Sind wir uns nicht schon irgendwo begegnet?«
Sie sah ostentativ weg.
»Kleines Fräulein, ich muß Sie unbedingt näher kennenlernen.« Diese Phrase hatte oft schon gute Dienste geleistet.
»Dann müssen Sie mich besuchen«, erwiderte sie, was Fred ein wenig aus der Fassung brachte.
Sie öffnete die Handtasche, nahm eine Karte heraus und kritzelte ihren Namen darauf.
»Verbindlichsten Dank«, sagte er kavaliergemäß, »darf ich Ihnen hier meine Karte geben. Ja - und nun, wie denken Sie über ein kleines Dinner, Miss...« Er hob die Karte und las die beiden obersten handschriftlichen Zeilen: »Diana Ward - ein wundervoller Name - Diana! Zimmer 47 ...« Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck. Es kamen zwei gedruckte Zellen: Inspektor Holt - Scotland Yard. Fred schluckte leer.
»Wenn zufällig einmal nicht er - dann also Sie ...« stotterte er.
16
»Das ist Flimmer-Fred!« kicherte Larry, als sie ihm das Erlebnis am Nachmittag erzählte. »Der arme Kerl hat Pech - andauernd tanzt er mir vor der Nase herum.«
»Ich muß Ihnen aber noch von einer anderen Begegnung berichten«, fuhr Diana fort, »ich habe einen früheren Arbeitgeber getroffen, bei dem ich einige Monate
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