025 - Die toten Augen von London
Macready-Theater war Gordon Stuart verschwunden!
Ohne Zögern betrat er das enge Vestibül und ging zur Kasse. Auf dem Sitzplan, der vor dem Kassierer ausgebreitet lag, zeigten wenige blaue Striche die Plätze an, die für den Abend verkauft worden waren.
»Können Sie mir bitte sagen, wo ich Mr. Dearborn finden kann?« fragte Larry.
»Sind Sie vielleicht ein Freund der Direktion?«
»Durchaus nicht.«
»Aber zufällig ein Freund Mr. Dearborns?« fragte der Kassierer wieder und sah Larry eindringlich an, der den Kopf schüttelte. »Sehen Sie, dann kann ich Ihnen ja meine Meinung sagen. Ich wollte Sie nur nicht kränken. Ich habe keine Ahnung, wo Mr. Dearborn zu finden ist. Es wäre zu wünschen, daß es die Direktion auch nicht wüßte! Ende dieser Woche höre ich hier auf, da macht es nicht mehr viel aus, was ich sage. Dearborn ist so ungefähr der schlechteste Theaterschriftsteller, den die Welt je erlebt hat. Hoffentlich schrecke ich Sie damit nicht ab, falls Sie eine Karte kaufen wollten?«
»Keineswegs.«
»Wissen Sie, ich mochte Ihnen auch nicht zureden, eine zu kaufen. In der Sonntagvorstellung hatten wir ganze fünf Zuschauer, und es sieht so aus, als ob wir heute abend nicht auf mehr als drei kommen würden. Die einzigen, die ein gewisses Interesse an unserem Stück haben, sind die Nervenärzte, die hierherkommen, um die Reaktionen des Publikums zu beobachten; und wenn irgendwo ein Irrer ausbricht, werden die Wärter zuerst in unser Theater geschickt, um ihn hier zu suchen.«
»Haben Sie gar keinen Anhaltspunkt, wo der Verfasser dieses unglückseligen Stückes zu finden sein könnte?«
»Er ist Vorsteher einer Mission für - ich weiß nicht was, im Westend. Armer Teufel, er ist blind, ich sollte eigentlich nicht so über ihn reden. Aber er schreibt furchtbare Stücke.«
»Schreibt er schon lange?«
»Schon lange? Er schreibt ununterbrochen.«
»Und alle seine Stücke werden aufgeführt?«
»Ja.«
»Und alle fallen durch?«
»Natürlich.«
»Wie ist so etwas möglich? Keine Theaterdirektion wird immer weiter Stücke von einem Verfasser bringen, wenn sie regelmäßig durchfallen.«
»Unsere tut es«, meinte der Kassierer resigniert. »Darum ist ja auch der Name ›Macready‹ gleichbedeutend mit...«
»Und Sie wissen nicht, wie lange John Dearborn das schon so treibt?«
»Ungefähr zehn Jahre. Es gibt gelegentlich sogar Stellen, die nicht einmal so schlecht sind - mehr verrückt.«
»Kommt er manchmal hierher?«
»Nie. Auch nicht zu den Proben. Ich weiß nicht, warum.«
»Noch eine Frage - wem gehört das Theater?«
»Einer Gesellschaft. Darf ich wissen, warum Sie diese Auskünfte wünschen?«
»Aus keinem besonderen Grund.« Larry dankte und verließ das Theater.
Das Ganze war unbegreiflich. Aber noch unsinniger wäre es, das Wortbruchstück ›dear‹ mit dem Verfasser der schlechten Theaterstücke, also mit Mr. Dearborn, in Verbindung bringen zu wollen. Als er vor dem Theater stand, kam ihm ein Gedanke, und er kehrte noch einmal um.
»Würden Sie mir einen großen persönlichen Gefallen erweisen«, fragte er, »und mir das Theater zeigen?«
Der Kassierer machte erst Einwendungen, dann aber winkte er dem Theaterportier, der soeben seinen Dienst antrat.
Larry folgte dem Portier m den ersten Rang, von wo aus er das kleine Theater Überblicken konnte. Der Raum lag im Halbdunkel, der Vorhang war geschlossen, über die Sitze spannten sich weiße Überzüge.
»Wo ist Loge A?« fragte Larry.
Durch eine schwere Portiere gelangten sie in den schmalen Gang hinter den Logen. Die letzte Tür führte in die Loge A. Larry trat ein, es war völlig dunkel, er nahm seine Taschenlampe. Auf dem kostbaren Teppich standen drei wundervoll ge schnitzte antike Sessel. Sonst gab es hier nichts Ungewöhnliches.
»Sind die anderen Logen auch so kostbar ausgestattet?«
»Nein, Sir, nur Loge A.«
Larry drehte sich um, ging auf den Gang zurück. Genau in seinem Blickfeld hing an der gegenüberliegenden Gangwand ein großer, roter Teppich. Er schob ihn etwas zur Seite und fand darunter eine eiserne Tür, auf der in roter Schrift ›Notausgang‹ stand.
»Wohin führt diese Tür?«
»In eine Seitenstraße, Sir. Es ist keine richtige Straße, nur ein Privatweg, der zum Theater gehört.«
Larry gab dem Mann ein Trinkgeld und verließ das Theater.
18
Larry Holt erwartete an diesem Abend noch einen Anruf Harveys, den er weggeschickt hatte, damit er verschiedene Erkundigungen einzog. Als das Telefon
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