025 - Die toten Augen von London
Gefahr kommen, und kein Geräusch, kein Hilferuf würde durch diese massiven Mauern dringen.
Er glaubte, noch viel Zeit zu haben, und setzte sich wieder. Da hörte er über sich ein Geräusch und blickte nach oben, konnte aber nichts sehen. Er wartete noch eine halbe Stunde, bis er den großen Steinblock, an dem die Kette befestigt war, beiseite wälzte. Bevor er aber nach dem wasserdichten Beutel, den er heute morgen unter dem Stein versteckt hatte, sehen konnte, verlöschte plötzlich das Licht.
Seltsam - auch an diese Möglichkeit hatte er nicht gedacht. Er hielt den Atem an, suchte - der Beutel lag an seinem Platz, seine Finger umkrallten ihn, er hob ihn auf und suchte nach den Schlüsseln. Hätte er Licht gehabt, würde er den Schlüssel, der die Fußschelle öffnete, mühelos gefunden haben. Nun aber versuchte er drei Schlüssel, keiner paßte.
Ein leises, gurgelndes Geräusch, glucksend wie Wasser, das aus einer Flasche läuft - ein kalter Luftzug traf seine Füße. Er versuchte einen weiteren Schlüssel, der ihn ebenfalls im Stich ließ. Schlimmer noch - er klemmte und blieb im Schlüsselloch sitzen, ließ sich nicht mehr herausziehen.
Das Wasser, das durch die kleinen Löcher in der Wand einströmte, rauschte. Eine Pumpe stampfte regelmäßig. Er zog und zerrte an dem Schlüssel, Schweißtropfen liefen ihm über die Stirn. Endlich - ein Seufzer der Erleichterung - löste sich der Schlüssel. Das Wasser bedeckte schon die Füße, stieg mit unheimlicher Geschwindigkeit.
Noch ein einziger Schlüssel - alle übrigen waren für das winzige Schloß zu groß. Er löste ihn aus dem Ring, aber der Bart blieb in der Schnur des Beutels hängen. Der rettende Schlüssel fiel ins Wasser. Er tastete und suchte - er war verschwunden. Immer wieder griffen seine Finger in das wirbelnde Wasser und suchten fiebernd auf dem rauhen Zementboden. Endlich bekam er ihn zu fassen, hielt ihn zwischen den Fingern. Ein wilder Freudenschrei. Mühsam hob er seinen Fuß hoch, schob den Schlüssel in die schmale Öffnung. Er ließ sich herumdrehen. Die Fußschelle sprang auf - er war frei.
Zwei Türen, die vor seiner Rettung standen, mußte er noch bezwingen. Er wußte, daß mit dem ständig wachsenden Druck des Wassers eine Arbeit vor ihm lag, die seine Kräfte bis zum äußersten in Anspruch nehmen würde.
Das Wasser reichte ihm schon bis zu den Hüften. Er watete auf den Ausgang zu, stieg die beiden Stufen hinauf. Den wasserdichten Sack hielt er krampfhaft mit den Zähnen fest.
Der Schlüssel drehte sich leicht, aber die Tür hatte keinen Handgriff. Mit jeder Sekunde vergrößerte sich der Druck des Wassers. Er biß die Zähne zusammen, holte tief Atem und zog mit aller Kraft, langsam, gleichmäßig ...
39
Diana hatte die entsetzliche Ankündigung Davids gehört, ohne sie im ersten Moment begreifen zu können. Sie öffnete den Mund zu einem Schrei, aber kein Ton kam aus ihrer zusammengepreßten Kehle. Sie selbst hatte Larry getötet! Ihre Hand hatte den Hebel heruntergedrückt, der ihn ertränkte!
Als ihr der ganze Zusammenhang allmählich klar wurde, schwankte sie auf die beiden zu, stützte sich auf einen Sessel -sie durfte nicht ohnmächtig werden, es mußte einen Weg geben, um Larry zu retten. Verzweifelt suchte sie nach einer Waffe - sie fand nichts. Langsam wurde sie ruhiger. Es waren Wahnsinnige, mit denen sie zu tun hatte. Aber die Zeit war so kurz.
Als David Judd sich nach vorn beugte, bemerkte sie etwas, und ein Einfall schoß ihr durch den Kopf. Sein Jackett stand offen und ließ unter der Achsel, wo der Arm aus der Weste herauskam, ein Stückchen des weißen Hemdes sehen. Von der weißen Hemdfarbe aber hob sich eine scharfe, schwarze Linie ab. Sie blickte noch einmal hin und erkannte eine Pistole, die David in ein Halfter geklemmt unter der Achselhöhle trug.
David las schon eine Weile wieder vor, er war jetzt mitten in einer farblosen, langweiligen Liebesszene. Auf dem Bärenfell neben dem Kamin lauschte Dr. Judd hingegeben den plattesten Phrasen. Als David, von seinem Werk hingerissen, besonders feurig deklamierte, schoß Dianas Hand nach vorn und packte den Pistolengriff. Mit einem Ruck riß sie ihn heraus und sprang zurück. Ein Tischchen neben dem Kamin fiel polternd um, Gläser klirrten.
»Wenn Sie nicht sofort Mr. Holt herauslassen, bringe ich Sie beide um!« schrie sie atemlos.
Die Brüder waren aufgesprungen und starrten sie an.
»Sie - Sie haben meine Vorlesung unterbrochen!« rief David im Ton eines
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