0250 - Angst war sein ständiger Begleiter
mit der gleichen Lautstärke.
Row sah mich einen Augenblick an und grinste.
»Bist du voll, Bruder?« fragte er. »Saufen ist das einzige, was das Leben, erträglich macht. Wenn mich einer dabei stört, dann bekommt er ein paar blaue Bohnen zwischen die Rippen oder ein Messer in den Hals.«
Der Wirt hatte zwei Gläser gefüllt. Er brachte das erste dem betrunkenen Gangster.
Er wollte gerade mit dem zweiten zu mir herüberkommen, als Row befahl:
»Der zweite Schnaps bleibt auch hier. Laß den Kerl da drüben verdursten. Hast du vielleicht was zu meckern?« schrie er mich an.
»Nicht im geringsten. Ich möchte nur meine Ruhe haben«, antwortete ich und streckte die Beine gemütlich unter den Tisch.
»Meine Ruhe haben… Das möchte ich auch einmal. Wißt ihr überhaupt, wer ich bin?«
Keiner sagte einen Ton. Row grinste breit und erklärte:
»Ich heiße Rob Row und bin vor vierzehn Tagen aus dem Zuchthaus ausgebrochen. Da staunt ihr, was? Mich kriegen sie nicht mehr. Ich bringe sie alle um, alle. Hat vielleicht einer von euch Lust, mich zu verraten?«
Seine kleinen bösartigen Augen blitzten gefährlich.
Wenn es noch kurze Zeit so weiter ging, würde er ohne jeden Grund anfangen, loszuballern.
Wenn ich jemals noch Zweifel gehegt hatte, daß der Kerl irrsinnig sei, so waren diese Zweifel jetzt verflogen.
Ein Kerl wie er ließ sich auch in dem Zustand, in dem er sich befand, nicht bluffen oder überrumpeln.
Es gab nur eines: Ich mußte ihn verwunden, bevor er selbst von der Waffe Gebrauch machen konnte.
Langsam, ganz langsam zog ich die 38er aus der Tasche, aber das Ding war zu groß und hakte sich im Futter fest.
Row, der seine mißtrauischen Blicke überall hatte, hob plötzlich seine 32er und schrie mich an:
»Hände hoch, du Schwein!«
***
Während ich mich kurz entschlossen zu Boden fallen ließ und mit einem kräftigen Ruck — der mich ein Taschenfutter kostete — die Waffe herausriß, hatte schon ein anderer Gast dem Verbrecher eine Bierflasche über den Schädel geschlagen. Er tat es in dem Augenblick, als Row seine Aufmerksamkeit auf mich konzentrierte.
Dann plötzlich war die Hölle los.
Alle stürzten sich auf Row, und es kostete die jetzt eindringenden Cops und mich die größte Mühe, um den Klumpen wüst schlagender und tretender Menschen zu entwirren.
Als ich mich dann zu Rob Row, der mit blutüberströmtem Gesicht am Boden lag, niederbeugte, sah ich, daß er tot war.
Ein Messerstich hatte ihn genau ins Herz getroffen.
***
Sämtliche Gäste wurden auf die Polizeistation gebracht, aber es konnte nicht ermittelt werden, wer den tödlichen Messerstich geführt hatte.
Das Messer selbst lag ein paar Meter davon und wies keine Abdrücke auf.
Eine Durchsuchung der Taschen des Toten förderte nichts anderes zutage als einen halben Dollar.
Papiere oder dergleichen besaß er nicht.
Wir sorgten dafür, daß die Stadtpolizei einen kurzen Bericht an die Presse gab, des Inhalts, daß der aus dem Staatszuchthaus ausgebrochene Rob Row bei einer von ihm angezettelten Prügelei ums Leben gekommen sei.
Mehr wurde nicht gesagt, und ich blieb vollkommen aus dem Spiel.
Die Pistole wurde noch am gleichen Abend als die bei Mr. Burry gestohlene identifiziert.
Row war tot, und wir waren um nichts weiter gekommen. Lissy Panther hatte den Abend zu Hause zugebracht, und zwar offenbar allein.
Man hatte ihren Schatten wiederholt an der Gardine ihres Zimmers beobachten können.
Um elf Uhr hatte sie das Licht gelöscht.
Ich bezweifelte, daß sie in nächster Zeit im FIDELITY Club auftauchen werde.
Bei der Obduktion des toten Rob Row wurde auch an seinem linken Arm eine notdürftig verbundene Fleischwunde festgestellt, die von einer Pistolenkugel herrühren mußte.
Das war die Bestätigung für unsere Theorie über die Vorgänge bei dem Überfall und der Ermordung des Buchmachers Charbon.
Um elf Uhr vormittags bekamen wir die eigentlich schon fällige kalte Dusche.
Sie kam in Gestalt eines lakonischen Berichts des Raubdezernats der Stadtpolizei und lautete:
Heute vormittag um zehn Uhr fünfunddreißig wurde von der Direktion des CLARIDGE Hotel in der 44. Straße gemeldet, man habe im Appartement 123, im 4. Stockwerk, eine gewisse Majorie Harrow aus Boston gefesselt und geknebelt in ihrem verschlossenen Schlafzimmer aufgefunden.
Majorie Harrow war am Tag zuvor nach New York gekommen, um an der Wahl der Miß Mannequin im AMBASSADOR Hotel teilzunehmen. Sie war mit großer Mehrheit gewählt worden und
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