0254 - Am Hafenkai regiert Gewalt
schießend durch das äußere Büro und den Gang hinunter.
Ich war ihm dicht auf den Fersen und schrie.
»Stehen bleiben, Hände hoch!«
Er schien mich nicht zu hören. Er erreichte die Treppe, blieb einen Augenblick stocksteif sehen, ließ die Waffe fallen und schlug schwer vornüber, die Stufen hinunter. Als ich ihn umdrehte, war er tot. Ich konnte nicht feststellen, ob der Schuss, den er erhalten hatte, tödlich gewesen war, aber jedenfalls hatte er sich beim Sturz das Genick gebrochen.
Überall flogen Türen auf, und Büroangestellte drängten neugierig heraus. Ich musste sehr energisch werden, um sie zurückzuschicken. Es gibt kaum etwas Übleres als neugierige, sensationshungrige Mitmenschen.
Zwei Minuten später schon waren die ersten Cops da. Ich ordnete an, die Menge zurückzudrängen und lief wieder nach oben. Dort war Phil gerade damit beschäftigt, einen Streifschuss, den unser »lieber Freund« Niles am linken Oberarm abbekommen hatte, notdürftig zu verbinden.
»Ich glaube, meine Herren, ich muss mich bei Ihnen bedanken«, lächelte King Niles etwas schmerzhaft. »Wahrscheinlich haben Sie mir das Leben gerettet. Die Kerle müssen gewusst haben, dass ich gerade heute eine größere Summe Bargeld im Haus habe. Woher, ist mir allerdings unerfindlich.«
»Um welchen Betrag handelt es sich denn?« fragte ich.
»Um die Kleinigkeit von sechzigtausend Dollar. Die Burschen hätten mich nur zu überwältigen brauchen und mir die Safeschlüssel aus der Tasche holen müssen.« Er warf einen Blick auf den kleinen, modernen in die Wand eingelassenen Panzerschrank.
»Komische Sache«, knurrte mein Freund kopfschüttelnd. »Ich hatte den Eindruck, dass es den Burschen weniger auf den Panzerschrank und seinen Inhalt, als auf Sie selbst ankam. Sie konnten ja nicht damit rechnen, heil wegzukommen, wenn sie zuerst ein großes Feuerwerk veranstalteten und erst danach darangingen, Ihre Taschen zu durchsuchen, den Safe zu öffnen und das Geld einzustecken. Bis dahin wäre bereits das ganze Haus in hellem Aufruhr gewesen.«
»Sie dürften wohl auch nicht die Absicht gehabt haben, wirklich zu schießen«, meinte Niles. »Sie taten es erst, als sie auf Gegenwehr stießen. Wir waren ja die ersten, die losknallten.«
Ich hätte ihm alles Mögliche entgegnen können, so zum Beispiel, dass ich genau gesehen hatte, wie der Bursche mit der Maschinenpistole den Zeigefinger krümmte, um die erste Garbe hinauszujagen. Um Niles im Schach zu halten, wären zwei Mann mit Schusswaffen ausreichend gewesen. Der dritte hätte währenddessen in aller Ruhe den Safe ausräumen können. Die drei Leute dagegen waren, meiner festen Überzeugung nach, nicht gekommen, um einen Raubüberfall auszuführen. Ihre Absicht war Mord gewesen, Mord und sonst nichts.
Ich bückte mich nach dem zweiten Gangster, der war auch tot.
»Die beiden Kopfschüsse stammen von mir«, sagte Niles stolz. »Ich hätte auch den dritten durch die Stirn geschossen, wenn ich nicht gerade in diesem Augenblick den Streifschuss abbekommen hätte. Was ist eigentlich mit ihm?«
»Er hat sich auf der Treppe das Genick gebrochen«, sagte ich.
»Geschieht ihm recht«, sagte der König der Waterfront mit dem Ausdruck tiefster Befriedigung. »Das wird anderen eine Warnung sein.«
Der Tonfall und der Gesichtsausdruck verrieten mir, dass er genauso gut wie ich wusste, dass dies kein Raubüberfall gewesen war. Jemand hatte ihn unschädlich machen wollen, jemand, der ihn tödlich hasste.
Jarlatan… dachte ich. Jarlatan oder ein anderer seiner Konkurrenten.
Die Mordkommission drei kam und mit ihr Lieutenant Crossswing. Es begann die altbekannte Prozedur, die mit fotografieren beginnt, sich mit er der ärztlichen Feststellung des Todes fortsetzt und mit der üblichen Kleinarbeit endet.
Der Lieutenant warf einen kurzen Blick auf die toten Gangster, von deren Gesichten! die Tecks die Tücher entfernt hatten und nickte.
»Identifizierung durch Fingerabdrücke können wir uns in diesem Fall sparen. Haben Sie schon einmal etwas von den Drillingen gehört, Jerry?«
Natürlich hatte ich von den Drillingen gehört, einem berüchtigten Trio von Mördern, die stets gemeinsam auf Bestellung arbeiteten und denen alle möglichen Leute schon hohe Summen bezahlt hatten, damit sie ihnen einen unliebsamen Zeitgenossen kurz und schmerzlos aus den Weg räumten.
Jetzt war ich noch mehr als vorher davon überzeugt, dass es kein Raubversuch gewesen war. Das lag nicht auf der Linie der drei
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