0254 - Treffpunkt Leichenhaus
verstreut. Seltsamerweise war der Schädel jedoch unversehrt.
Ich sah ihn am Tischbein liegen, und in den Augenhöhlen erkannte ich diese geleeartige Masse, die sogar lebte.
Ich machte Myxin darauf aufmerksam.
Der kleine Magier überlegte einen Augenblick und reagierte erst dann.
Zunächst einmal rein akustisch. »Das kann etwas bedeuten«, flüsterte er.
»Und was?«
Myxin lächelte. »Ich versuche die ganze Zeit über mich zu erinnern. Die Augen sind nicht zerstört. Weshalb nicht?«
»Kannst den Schädel ja mal fragen.« Diese Worte waren so einfach dahingesagt, für Myxin allerdings waren sie eine ernste Sache. »Das mache ich auch, John. Sieh nur, wie sich der Mund bewegt.«
Ich ging etwas näher heran. In der Tat bewegten sich die beiden Kiefer des Schädels, als wollte uns der Kopf etwas mitteilen. Einen Laut hörten wir jedoch nicht.
»Das hat doch etwas zu bedeuten«, sagte ich. »Myxin, befasse dich mal näher mit dem Kopf.«
»Gib mir die Kreide!«
»Welche?«
»Die magische natürlich.« Myxin streckte bereits seinen Arm aus und hielt mir die offene Handfläche entgegen.
Als er die Kreide von mir bekommen hatte, erkundigte ich mich, was er vorhatte.
»Ich möchte ihn irgendwie magisch einkreisen, damit ihn keine anderen Strömungen ablenken. Vielleicht hat er uns wirklich eine Botschaft mitzuteilen.«
»Versuch es. Ich drücke dir die Daumen.«
Myxin bewegte sich vorsichtig auf den Schädel des Ambiastro zu. Er war sehr gespannt, das sah ich seinem Gesicht an, in dem sich nichts bewegte.
Natürlich hatten sich die Zuschauer nicht zurückgezogen. Dafür waren sie viel zu neugierig. Sie standen an der Tür, starrten in den Wagen und schauten zu uns.
Auch die alte Azucena hatte aufgehört zu weinen. Sie wollte ebenfalls sehen, was der Magier aus Atlantis vorhatte.
Myxin blieb vor dem Schädel stehen und bückte sich. Er hütete sich, ihn zu berühren, streckte nur den rechten Arm aus, in dessen Hand er die magische Kreide hielt.
Es ist keine normale Schulkreide. Diese Kreide besteht aus Tierfetten und Salben, die speziell angefertigt werden und sich einer weißmagischen Beschwörung unterziehen müssen.
Würde sie auch auf den Schädel reagieren, der so viele tausend Jahre alt war?
Mit der Kreide berührte Myxin den Boden. Ich rechnete damit, daß er einen Kreis zeichnen würde, es war ein Irrtum. Er zeichnete ein Dreieck, daß an eine Pyramide erinnerte.
Es war auch eine Pyramide.
Damit lag auf der Hand, daß er eine Magie anwenden wollte, die es schon in Atlantis gegeben hatte. Und eine Pyramide hatte auch bei der Enträtselung des Kreuzes eine Rolle gespielt, denn die Pyramide des Wissens hatte mich durch die Zeiten transportiert.
Während Myxin zeichnete, sprach er auch. Es waren abermals Worte, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Myxin beherrschte die alten Sprachen noch, und das war unser Glück. So konnte er vieles enträtseln, was für mich unverständlich geblieben wäre.
Der Schädel bewegte sein Maul noch immer. Ich hörte nichts, die Magie griff nur allmählich ein.
Der Schädel nahm langsam eine andere Farbe an. Die der magischen Kreide übertrug sich auf ihn. Das Hellgrün des Kopfes ging zurück, und ein rötlicher Schimmer nahm von dem Schädel Besitz.
Atemlos schaute ich zu und hörte das Zischen.
Jetzt redete der Schädel. Er zischte Myxin die Worte entgegen. Für uns waren sie nicht zu verstehen, der kleine Magier hörte gespannt zu und nickte.
Er stellte noch eine Frage, die er ebenfalls beantwortet bekam. Kaum hatte der Schädel die kehligen Worte »ausgespuckt«, als es mit ihm vorbei war.
Der Rest fiel zusammen.
Im Nu hatte er sich aufgelöst, und zurück blieb ein mehliger Staub innerhalb der aufgezeichneten magischen Pyramide.
Das war alles, was noch an Ambiastro erinnerte.
Mehr nicht…
Myxin erhob sich. Er kam auf mich zu und gab mir die magische Kreide zurück.
Gespannt schaute ich ihn an. »Was hat er gesagt?«
»Er erwähnte oft das Orakel von Atlantis.«
»Und?«
»Irgendwie muß es mit dem Würfel des Unheils zusammenhängen. Ich kann mir aber selbst nicht vorstellen wie.«
»Sonst hat er nichts gesagt?«
»Doch, da war noch etwas. Er redete auch von einer Insel. Sie soll Sedonis heißen.«
»Sedonis?« murmelte ich, und schüttelte den Kopf. »Nie gehört den Namen. Du vielleicht?«
»Nein«, sagte Myxin.
»Vielleicht fragen wir mal die alte Azucena.«
»Das wollte ich dir eben vorschlagen.«
Die Zigeunerin saß nicht mehr auf
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