0255 - Die Gefangene der Teufelsinsel
Du hast die magische Formel gerufen, Sohn des Lichts, und du hast in diesem Falle den Zugang zu einer weiteren Dimension geöffnet. Deine Waffe ist das Kreuz, und du hast mit ihm in dieser Situation ein neues Kapitel im Buch der grausamen Träume aufgeschlagen. Meine uralte Magie hat ihre Wirkung in deine Zeit verlagert. So wie Moses am Berge Sinai die Zehn Gebote in der Bundeslade fand, so wirst auch du in den Besitz der Tafeln gelangen, wo das Geheimnis des Orakels verzeichnet ist, das unmittelbar mit dem Würfel des Unheils in Verbindung steht. Du hast dein Leben retten können, indem du genau das Richtige an der richtigen Stelle getan hast. Du hättest nicht warten dürfen, denn dein Kreuz hat es geschafft, den Nebel und seine schrecklichen Gestalten zu vertreiben. Terra pestem teneto — salus hic maneto! Es war dein Glück, daß du diese Formel gerufen hast, aber ich warne dich. Strapaziere sie nicht zu oft, denn andere Kräfte stehen gegen sie. Sie warten darauf, dieses Wunder der Weißen Magie zerstören zu können. Nimm sie als Hilfe wie in diesem Fall! Ich weiß, wie man den Todesnebel zerstören kann, denn ich befinde mich im Besitz des Buchs der grausamen Träume. Hier ist es…«
Nach diesen Worten erschien vor dem Seher ein Buch, das ich sehr genau kannte.
Ich sah mich plötzlich wieder innerhalb eines Berges im Harz. Dort hatte das Buch zum Greifen nahe gelegen, doch ich hatte es nicht bekommen.
Für mich waren nur die letzten Seiten bestimmt gewesen, aus denen sich der Bumerang gebildet hatte. Das Buch aber blieb in den Händen des Sehers, und nun bekam ich es abermals zu Gesicht.
»Die Tafeln, John Sinclair. Du brauchst die Tafeln, denn auf ihnen steht die Lösung. Ambiastros Erbe, das vor langer Zeit niedergeschrieben wurde, soll einem Würdigen in die Hände fallen. Und der Sohn des Lichts ist würdig genug. Mit der Vernichtung des Nebels wirst du auch dem Würfel des Unheils einen Großteil seiner Kraft nehmen. Das wissen auch deine Gegner. Deshalb mußten sie verhindern, daß Ambiastros Wissen zu dir gelangt. Sie haben es nicht geschafft. Noch nicht. Aber sie werden nicht aufgeben. Denke daran, John Sinclair…«
Es waren die letzten Worte des geheimnisvollen Sehers.
Noch einmal traf mich der Blick seiner weisen Augen. Er schaute dabei über den Rand des Buches, und dieser Blick schien eine Seele sprengen zu wollen.
Ich aber wollte mehr wissen und rief ihm gedanklich meine nächste Frage entgegen. »Wer bist du wirklich, Seher? Sag es mir! Löse endlich das Geheimnis um deine Person…«
»Nein, John Sinclair, nein…Noch nicht. Vielleicht…irgendwann. Die Ewigkeit ist lang, so unendlich…Man kann sie nicht erfassen. Ich habe es ver…«
Schluß. Er löste sich auf. Sein Gesicht zerlief, das grüne Flimmern, das Ähnlichkeit hatte mit dem in der Pyramide des Wissens, nahm zu, und bald gab es nur noch diesen einen Farbton.
Ich stand da wie vom Donner gerührt. Meine Knie zitterten. Ansonsten war der Körper steif, das Kreuz in meiner Hand schien zu einer Strahlenquelle geworden zu sein. Energie pulste ab. Die Zeichen der Erzengel brannten. Ich spürte die Ströme in meinem Gehirn und kam mir wieder einmal so klein und verloren vor, wenn ich die Mächte der Weißen Magie in Relation dazu setzte.
Allmählich nur klang alles ab. Das grüne Leuchten wurde schwächer.
Mein Blick klärte sich. Ich nahm die Umgebung wieder wahr, und ich stellte fest, daß ich mich nach wie vor innerhalb des Wohnwagens befand: Dieselbe Stelle.
Tief saugte ich die Luft ein. Ich war wirklich der Überzeugung, daß ich in den letzten Minuten nicht geatmet hatte. Oder waren es nur Sekunden gewesen?
Mein Blick traf das Kreuz.
Die Finger meiner rechten Hand umschlangen es, und allmählich nahm es wieder seine alte Form an.
Kein Leuchten mehr, nur der silberfarbene Schimmer, den ich sowieso kannte.
Es war vorbei…
Mich traf die kalte Winterluft.
Erst jetzt stellte ich fest, daß auch die Tür geöffnet worden war. Von dort drang die Luft ein, auch über mir, wo sich das Loch in der Wagendecke befand.
Aber kein Nebel!
Herrliche, reine, klare Luft. Die eiskalte Winterluft, und vor meinen Lippen dampfte der Atem.
Dann hörte ich die Stimme meines Freundes Suko. »John«, sagte er ein wenig krächzend, »haben wir das alles geträumt, oder ist der Nebel tatsächlich verschwunden?«
»Er ist weg.«
»Und?«
»Frag mich nicht weiter. Nimm es einfach hin. Wir hatten wohl gute Beschützer.«
»Das glaube ich
Weitere Kostenlose Bücher