0257a - Der Tod lud sie zum Whisky ein
Nr. 4567«, sagte ich.
Lucky eilte zum Panzerschrank, in dem die Kartei unserer V-Leute gesondert auf bewahrt wird.
»Henry Salisbury,Village, Perry Street 105. Die letzte Information lieferte er uns vor sechs Monaten. Über den Inhalt der Information weiß ich nichts«, sagte Lucky.
Ich bedankte mich und ließ mir Henrys Adresse geben. In aller Stille informierte ich mich über die Vorstrafen dieses Strolches. Er war wegen Urkundenfälschung und wegen Diebstahls insgesamt fünf Mal ins Gefängnis gewandert. Seit vier Jahren führte er sich straffrei.
Ich wünschte Lucky eine gute Nacht und schoss zur Tür hinaus. Mein Jaguar stand auf dem Hof unserer Fahrbereitschaft. Als ich in meinen Wagen stieg, kam der Leichenwagen vom Bellevue-Hospital durch die Einfahrt.
Der Fahrer bremste scharf und bugsierte seinen Wagen in eine Parklücke.
Im ersten Augenblick hatte ich Bedenken, Phil allein fahren zu lassen. Aber wenn Verstärkung zur Stelle gewesen wäre, hätte Mister High uns wenigstens einen Mann angeboten. Er hatte es aber nicht.
Ich startete den Motor und fuhr los.
***
Im Village war ich nicht der einzige Nachtschwärmer. Hier herrschte ein Betrieb wie in den Vorstadtkaschemmen nach dem Zahltag.
Ich gondelte durch die Christopher Street, fuhr die Greenwich Street hoch und stellte meinen roten Jaguar auf einem öffentlichen Parkplatz an der Ecke Perry Bleeker Street ab.
Von da schlenderte ich fünf Minuten die Perry Street hoch. In den Hauseingängen lauerten zwielichtige Gestalten, die aber im Gegensatz zur Bowery elegant gekleidet waren.
Man brauchte ihnen nur fünf Dollar in die Hand zu drücken und erhielt nach dem Tageskurs die entsprechende Menge Marihuana-Zigaretten.
Aber ich war nicht auf Marihuana-Fang ausgeschickt worden, und außerdem war ich in Eile.
Deshalb ließ ich die Burschen ungeschoren. Kurz vor dem Haus 105 strichen ein schwarzer Kater und ein Girl über den Weg.
Der Kater war stumm. Aber das schwarzhaarige Girl redete mich an.
»He, hast du keine Lust, mit mir einen Drink zu nehmen?«, flötete sie.
»Im Augenblick habe ich keine Zeit. Geh nach Hause, sonst erkältest du dich in der Aufmachung.«
Sie trug ein Kleid, das im Rücken ebenso weit ausgeschnitten war wie vorn.
»Hallo, Mister, kommen Sie von der Gesundheitsbehörde?«, meckerte sie.
»Wohnen Sie hier in der Nähe?«
»Allerdings. Wen suchen Sie?«
»Henry Salisbury«, antwortete ich.
Das Girl zeigte mit dem Kopf in die Richtung eines fünfstöckigen Mietshauses auf der gegenüberliegenden Seite.
»Aber der wird sehr ungemütlich, wenn ihn jemand bei Nacht stört«, piepste das Girl.
»Das macht nichts. Ist er denn zu Hause?«
»Wenn Sie das meinen, Henry verlässt abends nie seine Wohnung.«
Ich bedankte mich und ging über die Straße. Das Girl sah mir nach. Als ich in der Haustür stand, trippelte die Schönheit in die schräg gegenüberliegende Bar.
Der Schein der Straßenlaterne reichte nicht aus, die Namensschilder zu lesen. Ich riss ein Streichholz an und fand den Namen H. Salisbury. Mein Zeigefinger legte sich auf die Klingel.
Von dem Klingeln wäre auch ein Tauber aus dem Bett gefallen. Jemand riss oben ein Fenster auf und streckte seinen Kopf an die frische Luft.
»Wer ist da?«, krähte ein Mann.
»Ein Freund. Mach schleunigst auf«, entgegnete ich mit einer Stimme, die keinen Zweifel offen ließ.
Der elektrische Türöffner summte. Ich drückte die Haustür auf und betrat den Flur. Ein abgetretener grüner Läufer führte zu der morschen Holztreppe. Ich wunderte mich, wie die Bewohner dieser Mietskaserne über diese Bruchtreppe ihre Wohnungen erreichen konnten. Mit Riesensätzen fegte ich die Stufen hoch.
***
Auf dem Treppenabsatz im dritten Stock stand ein Mann im verschossenen blauen Frotteemantel, der ein paar Beine im Schlafanzug sehen ließ. Auf dem fast kahlen Kopf führten einige Haare ein verlorenes Dasein. Sein Gesicht wurde von einer Habichtsnase beherrscht. Das Weiß seiner Augen schimmerte gelblich und war rot unterlaufen.
»Was willst du von mir?«, krächzte er.
»Ich suche Mister Salisbury«.
»Der ist nicht im Haus« krächzte er, drehte mir den Rücken zu und schlurfte in seine Wohnung. Ich ging grinsend hinterher, denn er hatte die Tür nicht geschlossen.
»Ich habe dir doch gesagt, dass Henry Salisbury nicht zu Hause ist«, bellte er wütend. Es roch nach abgestandenem Essen und Fusel.
»Verdammter Kerl. Ich rufe gleich die Polizei. Die werden dich an die frische Luft
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