0257a - Der Tod lud sie zum Whisky ein
zuständige Revier. Einige Cops werden im Village immer greifbar sein. Machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen - Aber hat Phil sich noch nicht gemeldet?«
»Nein. Scheint ein ruhiger Einsatz zu sein. Vielleicht lagen Ihre Vermutungen doch nicht so ganz richtig. Aber umso besser. Melden Sie sich in einer halben Stunde wieder. Ich habe heute Nacht zu arbeiten und bin immer in meinem Office zu erreichen.«
Ich versprach es und hängte ein. Noch Minuten später klang mir die angenehm beruhigende Stimme unseres Chefs in den Ohren.
Mit Riesensätzen jagte ich zu meinem Jaguar, schwang mich hinter das Steuer, preschte durch die Waverly Place und brauste weiter zur Christopher Street und fand auf der 10. West, kurz vor der Bleeker Street, eine Parklücke.
In aller Gemütsruhe zurrte ich das Halfter fest und prüfte den Sitz der Pistole. In meiner Tasche klimperte das notwendige Kleingeld. Ich stieß die Tür auf und setzte meine Füße aufs Pflaster der 10. West. Sorgfältig schloss ich meinen Wagen ab und machte mich auf.
Mitternacht war längst vorbei. Gegen zwei Uhr musste es sein, als ich die
Jollies-Bar erreichte. Fünf ausgetretene Treppenstufen führten zu einer besseren Kellertür, die mit roter und grüner Farbe bekleckst worden war. Die Tür besaß kein Schloss, sondern pendelte wie zur Zeit des Wilden Westens hin und her.
Gedämpfte Musik drang nach draußen. Ich holte einmal tief Luft, bevor ich den Laden betrat. Hinter der Pendeltür befand sich eine Schleuse, die mit einem roten Plüschvorhang gegen die Bar abgetrennt war. Mit beiden Händen teilte ich den Vorhang und steckte meinen Kopf in die Bude, in der Treibhaustemperatur herrschte.
Die Frauen waren entsprechend gekleidet. Sie erinnerten mich an das schwarzhaarige Girl vor Salisburys Haus.
Auf der Fläche von der Größe einiger Margarinekartons hockte eine Drei-Mann-Band und misshandelte einige Musikinstrumente. Der Tabakqualm war so dicht, dass ich die Geräte, mit denen sie lärmten, nicht einzeln erkennen konnte. Meine Augen begannen zu tränen.
Auf einer Tanzfläche, die nicht größer war als die Kochnische in einem Junggesellenappartement, drehte sich mindestens zwanzig Paare. Zumindest machten sie den-Versuch, sich zu drehen.
Niemand beachtete mich weiter. Ich stand einige Sekunden vor dem Samtvorhang und musterte die Gäste. Ich sah keine auffallenden Gesichter aus unserem Verbrecheralbum. Ich durfte nicht darauf hoffen, ausgerechnet in diesem Kellerlokal einen Burschen von der Liste der zehn gesuchtesten Verbrecher der Staaten zu fassen. Diese Burschen suchten sich im Allgemeinen feudalere Bars aus.
Die Tanzfläche lag genau auf dem Weg zur Bartheke. Da die Kapelle im Nonstop spielte, blieb mir keine andere Wahl, als mich durch die Paare zu zwängen. Ich ging sehr behutsam zu Werke und nutzte jede Lücke aus, die sich bot. Einer meiner Jackenknöpfe platzte dabei ab. Ich beneidete die Männer, die sich im Schweiße ihres Angesichts auf der Tanzfläche amüsierten, keineswegs.
Der Barraum war nicht länger als neun Schritte. Aber ich brauchte fünf Minuten, um die Theke zu erreichen. Als ich einigermaßen heil ankam, brachte ich meinen Anzug wieder ins Lot. Der Barkeeper linste über die Theke.
»Na, allein hier?«, brummte er.
»Stört dich das?«, konterte ich, »einen echten Whisky.«
Was der Bursche vor mich hinstellte, war von der gleichen üblen Sorte wie das Getränk auf Henrys Wohnzimmertisch. Aber ich ließ mich nicht auffordern, sondern goss das Gesöff in meine ausgedörrte Kehle. Es rann wie Feuer durch meinen Hals. Ich spürte einen scheußlichen Hustenreiz, den ich aber unterdrückte. Der Barkeeper betrachtete mich schadenfroh.
»Suchst du jemanden?«, knurrte der Barkeeper.
»Ja, meine Freundin Susy«, antwortete ich, »flammend rotes Haar, hübsches Gesicht und meerblaue Augen. Ist sie dir noch nicht über den Weg gelaufen?«
»Rothaarige gibt es eine ganze Menge hier. Du kannst dir deine Susy aussuchen«, sagte der Barkeeper. Dann schüttelte er sich vor Lachen über seinen Witz. Ich blieb todernst.
Neben mir gurrte ein wasserstoffblondes Girl, das sich von einem fettleibigen Burschen über die Wange streicheln ließ.
***
Der Keeper ließ mich nicht aus den Augen. Ich lehnte mich lässig an die Theke und starrte in die große Spiegelfläche, die sich hinter den Gläsern und Flaschenregalen befand. Dadurch hatte ich den ganzen Raum im Blickfeld. Mit Todesverachtung bestellte ich den zweiten Whisky. Der
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