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0260 - Die Mitternachts-Hexe

0260 - Die Mitternachts-Hexe

Titel: 0260 - Die Mitternachts-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa und Manfred Weinland
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sich nicht bewegte.
    Der Keim, dachte Tim O’Healy, der mich zu dem gemacht hat, was ich nun bin! Zu einem Monster mit dem Drang, zu morden…
    Vor ihm lag reglos der Briefträger. O’Healy vermied es, ihn anzusehen. Er wankte aus dem Zimmer, preßte die Hände an die Schläfen und warf sich rücklings auf das Bett.
    Hände…
    Keine Klauen mehr?
    Er riß sie herunter, starrte sie an. Sprang wieder auf, jagte zum Spiegel, um sich zu betrachten. Eine Schönheit war er nie gewesen, aber er sah wieder annähernd menschlich aus.
    Es hätte ein Traum sein können, ein böser Alpdruck.
    Aber es war keiner.
    In menschlicher Gestalt hätte er Dermot Fitzgibbon niemals so übel zurichten können, wie er es getan hatte. Er hatte es in Gestalt einer Bestie getan…
    Daß Fitzgibbon da lag, war der Beweis für die Wirklichkeit des unheimlichen Geschehens. Es war kein Traum.
    Tim O’Healy hatte einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Etwas stieg in ihm empor, eine Mischung aus Übelkeit und Angst. Angst vor dem, was noch auf ihn zukommen mochte. Denn dies war erst der Anfang.
    »Verwandlung«, keuchte er.
    Die Alten erzählten davon, daß es Tiermenschen gab. Männer und manchmal auch Frauen, die sich zu nächtlicher Stunde unter dem bleichen Mondlicht zu Tierwesen verwandelten und ihren mörderischen Instinkten nachgingen, die mordeten und jagten.
    Aber das hier… das war keine Erzählung. Es war nicht Vollmond, und es war erst recht keine Nacht. Dennoch fand etwas statt, das Tim O’Healy als Verwandlung ansah.
    Was es auch war…
    Die Begegnung mit der Hexe war ein Wendepunkt seines Lebens. Nichts mehr würde so sein, wie es früher war. Die Hexe machte ihn zu ihrem Werkzeug. Das mußte es sein. Die lautlose Stimme in seinem Kopf, die von einem KEIM sprach - was immer das auch sein mochte. Die Verwandlung. Der raubtierhafte Überfall auf den Postboten. Was würde noch folgen?
    Er wußte es nicht. Er wollte es auch nicht wissen. Er wollte alles vergessen, nicht mehr daran denken. Nur vergessen. Und er wußte, daß es endgültiges Vergessen nur dann gab, wenn er selbst starb.
    Aber er wollte doch noch nicht sterben. Noch lange nicht. Er hatte doch noch so viel mit sich vor…
    Mühsam taumelte er zum Kühlschrank, holte die Flasche Whiskey hervor und goß das Wasserglas voll. Dann begann er es umzufüllen. Wie Lava brannte es in seinem Schlund, rann nach unten, füllte sein Innerstes aus.
    Die Wirkung kam nur langsam. Erst beim zweiten Glas begann die Angst vor der Zukunft abzunehmen. Die Frage: Was wird werden? trat in den Hintergrund.
    Vielleicht war es ja nur eine einmalige Erscheinung. Was hatte die Hexe ihm mit ihren Gedanken zugeraunt? Der KEIM sollte weitergegeben werden. Nun, er hatte ihn wohl wahrscheinlich weitergegeben an Fitzgibbon. Das reichte. Jetzt sollte der Zusehen, wie er damit klar kam - als Toter. Er selbst aber war von dem Alptraum befreit; Beweis dafür war allein schon die Rückverwandlung zum Menschen.
    Nicht wahr?
    Er torkelte unter die Dusche, spülte die roten Spritzer ab, frottierte sich und wählte frische Kleidung. Dann fiel ihm Fitzgibbon ein.
    Der tote Briefträger lag ja immer noch da. Der mußte weg.
    O’Healy wußte, daß es tausend anderen Leuten gelingen würde, eine Leiche zu verstecken. Ihm nicht. Er war der tausenderste, und bei ihm würde es auffallen. Er besaß nicht die Ader zur Kriminalität, zum perfekten Verbrechen. Selbst wenn er sich noch so bemühte, Fitzgibbon unauffällig verschwinden zu lassen - würde notfalls bei einem Schlagloch die Ladeklappe des Wagens aufspringen und der Tote von der Fläche herunter auf die Straße rollen. Oder sonst irgend ein Blödsinn, der den Gangstern in den Filmen natürlich nie passierte.
    Das einfachste war also, die Polizei zu benachrichtigen. Hallo, Constable, bei mir im Haus liegt eine Leiche. Ja richtig, eine Leiche. Furchtbar zugerichtet. Ein Monster war da. Nein, ich bin nicht betrunken. Nur zwei Gläser Whiskey. Hicks. So oder ähnlich stellte er sich das Telefonat vor. Der Alkohol machte sich ernsthaft bemerkbar, spülte das Grauen hinweg und ließ ihn sogar schon wieder grinsen. Seine Gedanken waren nur noch oberflächlich, gingen nicht mehr in die Tiefe. Ihm fehlte das Vermögen, sich das Entsetzliche des Geschehens wirklich bewußt werden zu lassen.
    Sind Sie denn vollkommen sicher, daß Sie eine Leiche im Haus haben? würde der Constable fragen.
    Mal nachsehen.
    Vorsichtshalber sah O’Healy nach, bevor er anrief.
    Aber da war

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