0261 - Im Schatten des Würgers
drohte mit allerlei Maßnahmen gegen die Polizei. Beschwerden beim Senator… das übliche Geschrei aufgebrachter Figuren, die ihr nicht ganz reines Gewissen hinter Entrüstung gegen angebliche Übergriffe der Polizei verschanzen.
Meyer Gerstein kam die Treppe herab und steuerte auf den Stuhl zu, den ihm der Captain mit einer Handbewegung anwies. Meyer Gerstein war groß und schwer, fett und aufgedunsen. Sein Gesicht hatte eine ungesunde, gelbliche Farbe. Dicke Tränensäcke hingen unter seinen Augen, die von schweren Lidern — die fast immer halb geschlossen waren — verdeckt wurden. Die Nase des Burschen war fleischig und dick, leicht gebogen und in der Form dem Schnabel eines Geiers nicht unähnlich. Meyer Gerstein bewegte sich langsam. In seinem Blick und in seinem Gang lag etwas Hinterhältiges, Verschlagenes.
Er nahm Platz und sah uns aus halb geschlossenen Lidern träge an. Offenbar hatte er das Schimpfen jetzt aufgegeben; er verhielt sich ruhig und wartete auf unsere Eröffnung.
Ich stellte die erste Frage:
»Seit wann arbeitet Shirley Scott bei Ihnen?«
Die Antwort kam prompt.
»Seit einem halben Jahr.«
»Sie wußten, daß Shirley Scott von der Westküste stammt?«
»Ja!«
»Miß Scott wohnte hier im Hause?«
»Ja. Das Zimmer, in dem der dort«, er richtete seinen fetten Daumen auf Phil, »angeblich niedergeschlagen wurde, hatte ich für Miß Scott eingerichtet.«
»Wenn der Hieb Sie getroffen hätte, Mister«, sagte Phil mit saurem Lächeln, »dann hätten wir Sie wahrscheinlich noch nicht aus Ihrem Bettchen scheuchen können. Ihr Freund Malcolm Messer hat eine verdammt gute…«
»Was reden Sie da! Ich kenne den Mann überhaupt nicht! Und mein Freund ist dieser Malcolm Messer, oder wie der Kerl heißt, schon lange nicht. Ich weiß nicht einmal, wie er in mein Haus kommt. Was kann ich dafür, wenn die Scott mich hintergeht und einem Mörder Obdach gibt. Ich wußte nichts davon. Ich habe nichts damit zu tun.« Meyer Gersteins Gesicht hatte eine käsige Farbe angenommen. Seine ohnehin schon fahlgelbe Haut wurde eine Schattierung grauer. Gersteins Blicke wanderten unter halb geschlossenen Lidern unruhig von einem zum anderen. Der Kerl sah aus wie das schlechte Gewissen persönlich.
»Woher wissen Sie eigentlich, um was es sich dreht? Soviel ich weiß, haben Sie Ihr Zimpier nach dem Mord — also nachdem man Sie geweckt hat — nicht verlassen dürfen. Hm?«
Ich sah Gerstein freundlich an, während ich fragte. Aber in meinem Blick muß doch etwas Unheilvolles gelegen haben, denn der Barboß veränderte wiederum seine Gesichtsfarbe. Seine teigigen Wangen hatten jetzt die gleiche Farbe wie der Bauch einer Kröte.
Die Sekunden strichen dahin. Es war sehr still geworden in der Bar. Alle Blicke waren auf den Barbesitzer gerichtet.
»Na, wie wär‘s mit einer Antwort?« fragte ich leise.
»Ich weiß es von Allison«, sagte Meyer Gerstein und zeigte auf einen Kellner. »Kurz nachdem mich Ihr Sergeant geweckt hatte, kam Allison in mein Zimmer und brachte mir eine Tasse Kaffee. Er macht das jeden Abend. Allison sagte mir auch, daß sich ein G-man im Haus umsehen wolle. Ich habe es erlaubt, dann aber leider vergessen, Colon und Bibbo zu benachrichtigen. Deshalb kam‘s zu der Auseinandersetzung.«
Der Kellner Allison, der am Nebentisch saß und dem Verhör mit großer Aufmerksamkeit gefolgt war, nickte lebhaft.
»Jawohl, Sir. So war es.« Und dann zu mir gewandt: »Als Sie den eintreffenden Polizeibeamten Anweisungen gaben, vernahm ich, daß ein Mörder namens Malcolm Messer im Hause gesucht werde.«
Ich winkte den Sergeanten herbei, der Meyer Gerstein während der beiden letzten Stunden bewacht hatte.
»Sind Sie nicht in Gersteins Zimmer geblieben, nachdem Sie ihn geweckt hatten?« fragte ich.
»Nein, Sir! Ich hatte das Zimmer wieder verlassen und mich weiter an der Suche nach Malcolm Messer und Shirley Scott beteiligt.«
»Haben Sie gesehen, daß der Kellner in Gersteins Zimmer trat?«
»Nein, Sir!«
Ich drehte den Kopf nach links, wo das Personal der Bar jetzt an den Tischen saß. Es waren jene Leute, die wir während der beiden letzten Stunden verhört hatten.
»Ist von Ihnen jemand in der Lage, etwas dazu zu' sagen? Hat von Ihnen jemand den Kellner Allison beobachtet, als er das Zimmer von Mr. Gerstein betrat?«
Sie schüttelten die Köpfe. In der allgemeinen Aufregung hatte niemand auf den unscheinbaren Kellner geachtet. Nicht einmal die Polizeibeamten, die ich zur Bewachung von Golon
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